Fragen und Antworten - Telekom HV 2008
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
mein Name ist Dr. Martin Weigele und ich bin Aktionär aus Bonn.
Viel ist geschrieben und gesprochen worden über verkündete Erfolge des Vorstands der Deutschen Telekom AG in den letzten Jahren. Trotzdem blieb der Aktienkurs am Boden – ein klares Zeichen für mangelndes Vertrauen.
Meine Herren vom Vorstand und Damen und Herren des Aufsichtsrates
und ihre dahinterstehenden Großaktionäre, nicht zuletzt auch und vor
allem der Bundesfinanzminister, Sie haben es in der Hand, Vertrauen
unter anderem wieder herzustellen, in dem Sie ein hinreichendes Maß an
Finanztransparenz schaffen. Dies mag vor allem dem
Bundesfinanzministerium schwerfallen, ist ein und diesselbe Abteilung
dort doch zuständig für Aufsichtsratsmandate und Bundesbeteiligungen,
Finanzmarktregeln und zu allem Überfluß gleichzeitig auch noch
Oberkontrolleur der Finanzaufsicht in Deutschland – wie praktisch, wenn
alles in einer Hand ist! Aber schädlich für den Finanzplatz Deutschland
und die Deutsche Telekom AG.
Um so nötiger ist es, dass wir uns an die Existenz jahrhundertelang bewährter, altmodischer Kennzahlen wie Gewinn und Verlust erinnern. EBITDAs mögen für Menschen interessant sein, die sich einstmals an der Universität Wien mit Grenzwertsätzen über die Entropie zahlentheoretischer Transformationen befaßt haben – übrigens handelt es sich dabei um eine Art von spieltheoretischen Betrachtungen. Die Aktionäre der Deutschen Telekom, aber auch die Mitarbeiter und andere mit dem Unternehmen Verbundene interessieren vor allem echte Gewinne oder Verluste und vollständige Bilanzzahlen, allenfalls noch vollständige Cashflow-Zeitreihen, die auch nicht zu finden sind.
Daher habe ich drei ganz konkrete Fragen bzw. Fragenkomplexe, um deren möglichst präzise Beantwortung ich Sie bitte:
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UMTS. Im Jahr 2000 hat die Deutsche Telekom AG 15 Milliarden Euro für die UMTS-Lizenzen mit begrenzter Laufzeit allein in Deutschland bezahlt. Mit Zins und Zinseszins dürfte es sich heute um etwa 16 Milliarden Euro handeln. Im Konzerngeschäftsbericht auf Seite 56 wird UMTS neben HSDPA als wichtige Zukunftsstragie bezeichnet. Meine einfache Frage, deren Antwort ich in keinem Bericht finden konnte, lautet: Wie hoch ist der (Netto-) Gewinn oder Verlust (net earnings, profits or loss) aus dem Erwerb der deutschen UMTS-Lizenz per Jahresabschluß 2007 ?
Der Vorstand antwortet dazu durch René Obermann, eine
entsprechende gesonderte Kostenrechnung zu UMTS gebe es nicht. Auf die
Nachfrage, dass es völlig unglaubwürdig sei, dass der Vorstand keine
Aussage über die Profitabilität einer 15 Milliarden Investition tätigen
könne, sagt Obermann, eine Beantwortung dieser Frage sei ihm nicht
möglich, da die Bilanzierung nach IFRS nur eine Erfassung der
"zahlungsmittelgenerierenden Einheiten" umfasse. Dabei werde UMTS nicht
gesondert erfasst.
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US-Geschäft. Im Jahr 2000 hat die Deutsche Telekom AG, genau genommen vor allem ihre Aktionäre, 34 Milliarden Euro für Voicestream, zusammen mit Powertel ca. 40 Milliarden Euro überwiegend durch Aktientausch bezahlt, was heute T-Mobile USA heißt. Im Geschäftsbericht des Konzerns heißt es dazu, wieder um auf Seite 56: „Wachstum im Ausland durch Mobilfunk. Der Anteil des Auslandsumsatzes am Konzernumsatz betrug im Jahr 2007 über 50 %. Wichtigster Wachstumstreiber des internationalen Mobilfunkgeschäfts blieb dabei T-Mobile USA. Der geplante Kauf des im US-amerikanischen Südosten und in der Karibik tätigen Mobilfunkunternehmens SunCom Wireless wird zu einer Erweiterung der Kundenbasis und einer deutlichen Ausweitung der Mobilfunkabdeckung führen.“ Aussagen zu Gewinnen im Sinne der klassischen Gewinn- und Verlustrechnung findet man in keinem Geschäftsbericht, nur EBITDAs und operative Gewinnzahlen. Die letzten Zahlen der Gewinn- und Verlustrechnung von SunCom Wireless in der Datenbank der S.E.C. als selbständiges berichtspflichtiges Unternehmen letztes Jahr sind tiefrot.
Ich frage Sie also ganz konkret: Wie hoch sind per Jahresabschluß 2007 Netto-Gewinn oder Verlust aus der Sicht der damaligen Aktionäre aus der Investition der 40 Milliarden? Wie hoch sind sie pro Aktie vor der Transaktion?
Wie hoch sind (Netto-) Gewinn oder Verlust von T-Mobile USA per Jahresabschluß 2007?
Der Vorstand beantwortet durch René Obermann die Frage nach dem
Nettogewinn von T-Mobile USA, der betrage 1,165 Millionen Euro.
Allerdings gäbe es ein übergreifendes Konzern-Finanzmanagement. Dabei
blieb offen, was dies tatsächlich bedeutet. Kurz darauf korrigiert
Obermann von sich aus die Aussage, es seien natürlich 1,165 Milliarden
Euro. Auf nochmalige Nachfrage wird die Anwort dahingehend präzisiert,
es handele sich uneingeschränkt um den "Nettogewinn von T-Mobile USA im
Konzern Deutsche Telekom AG", nicht um eine bereinigte Zahl. Eine
Antwort auf die Frage des Gewinns aus der Sicht der damaligen Aktionäre
gab es nicht, statt dessen nur den Hinweis auf den Restwert der Lizenz
in der Bilanz.
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Dies führt mich zur dritten Frage. Der Konzerngeschäftsbericht enthält auf Seite 120ff. Informationen zu den immateriellen Vermögenswerten, die fast ausschließlich auf Mobilfunklizenzen in Europa und den USA sowie Firmenwerten und vor allem ganz viel Goodwill basieren, immerhin 54,4 Milliarden von der Bilanzsumme von 120,7 Milliarden Euro. Damit hängen nach den Buchhaltungsregeln IFRS, die die ständige Neubewertung dieser immateriellen Vermögenswerte u.a. durch aktuelle Geschäftsprognosen erfordern, ca 45% des Vermögens des Deutschen Telekom Konzerns gewissermassen am Tropf dieser naturgemäß subjektiven Geschäftsprognosen. Auch hier dürfen wir uns übrigens für diese Art der Bilanzierungsregeln wieder bei der selben Abteilung im Bundesministerium der Finanzen mitbedanken. Dieses Verfahren ist auch in einer Fußnote vermerkt. Vor einigen Jahren lagen Prognosen des Vorstands schon einmal um 21.3 Milliarden Euro daneben – diese historisch bisher einmalige Summe, die womöglich noch wachsen wird, mußte 2002 abgeschrieben werden! Den Aktionären der Deutschen Telekom AG sind daher bei dieser Vermögenslage die zugrundeliegenden Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzen und die zugrundeliegenden Prognosen für die nächsten zehn Jahre zugänglich zu machen, weil sonst das tatsächliche Vorhandensein von 45% Prozent des Vermögens, das ist fast die Hälfte, nicht plausibilisiert werden kann. Ich bitte Sie daher, die entsprechenden Zahlen, die z.T. ja schon in Frage 1 und 2 abgefragt wurden, auch gesamthaft und vollständig offenzulegen, also die verwendeten Zehn-Jahres-Prognosen und ihren Ausgangspunkt im Jahresabschluß 2007, auf der Basis von GuV oder echten Cashflow Zeitreihen. Dies nicht zuletzt im Lichte der Finanzkrise, die gezeigt hat, wie schnell immaterielle Vermögenswerte, die nur eine vermeintlich realwirtschaftliche Grundlage haben, auf Null zusammenschnurren können. Wären nämlich die Prognosen unrealistisch, wäre der Konzern u.U. bilanziell überschuldet.
René Obermann antwortet zunächst sinngemäß, da die Lizenzen ja
zeitlich abgeschrieben würden, sei dies kein Problem. Auf den erneuten
Hinweis, dass mit den unbefristeten FCC Lizenzen und dem Goodwill ja
mindestens immer noch 31% des Vermögens von naturgemäß subjektiven
Business Plänen abhänge, antwortet René Obermann, dass die Angaben in
der Bilanz ihre Richtigkeit hätten, denn sie seien ja vom
Wirtschaftsprüfer testiert. Auf den Hinweis des
Aufsichtsratsvorsitzenden Lehner ergänzt er noch, dass diese Business
Pläne nicht den Aktionären zugänglich gemacht werden könnten.
Meine Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Antworten.
Journalistischer Hinweis zu möglichen Interessenkonflikten: Dr.
Martin Weigele hält eine Aktie der Deutschen Telekom AG (zum Preis von
ca. 11 1/2 Euro erworben). Außerdem ist noch erwähnenswert, dass
mutmasslich aufgrund der Fragen der Finanzvorstand der Deutschen
Telekom AG, Dr. Karl-Gerhard Eick, im Back Office verschwand, wo ein
Heer von Mitarbeitern die Antworten auf Aktionärsfragen bekanntlich dem
Vorstand zuarbeitet, er selbst als fachlich für diese Fragen
Zuständiger diese jedoch mutmasslich wegen ihrer Brisanz vom
Vorstandsvorsitzenden Obermann beantworten liess, der als Vertriebler
bisher nicht dafür bekannt geworden ist, in Bilanzierungsfragen
besonders bewandert zu sein.
Manager Magazin zur Telekom HV (1. Hälfte)
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weitere Links:
Der große Obfuskator
Das Kennzahlen-Desaster
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