A lot of "Quango"

War die Deutsche Telekom die Goldene Gans von Goldman Sachs?

Viele Jahre habe ich darüber gerätselt, wieso der mir persönlich bekannte1) Ron Sommer Ron Sommer 1999als früherer Chef der Deutschen Telekom sich Anfang des Jahrtausends zum Kauf von Voicestream und PowerTel, beides zusammen i.w. heute T-Mobile USA, für zusammen 40 Milliarden Euro hinreissen lassen konnte - mindestens 10-40 fach zu teuer, der deal, brav abgenickt von Aufsichtsrat der Telekom und damaligem Hauptaktionär, dem Bundesminister der Finanzen für die Bundesrepublik Deutschland, der übrigens auch via Bundesregierung die dubiose Immobilienbewertung im Privatisierungsbörsengang der Telekom sicherheitshalber zum Staatsgeheimnis erklären ließ. Zugleich eine vollständige Plünderung des Barvermögens der Volksaktionäre aus den Börsengängen und mehr. Wegen seiner Verdienste hat dieser sich zwischenzeitlich eine höhere Pension eingeklagt (Hans Eichel heißt er). Dass er dieses tat, deutet allerdings eher darauf hin, dass er selbst multimilliardenschwer gar nix kapiert hat.

Sommers Kritiker hielten den Deal stets für Größenwahn, während der Vorstand der Deutschen Telekom uns bis heute Glauben machen will, es sei ein erfolgreicher Deal gewesen. Ich hatte immer Zweifel an dieser wie jener Version, jedenfalls als allein-kausale Erklärung. Nun, da die Finanzkrise Goldman Sachs ins Zwielicht gerückt hat, worüber uns Matt Taibbi und die Bank selbst unfreiwillig aufgeklärt haben, ja offenbar sogar Jürgen Rüttgers die Segnungen der Dienstleistungen von Goldman Sachs genießt, können alte Puzzlestücke neu zusammengesetzt werden und ergeben ein womöglich ganz anderes Bild.

Zur Erinnerung: Investmentbanken wie Goldman Sachs oder Morgan Stanley verdienen ähnlich wie Immobilienmakler an der erfolgreichen Verkaufsvermittlung von Unternehmen Provision, ein typischer Prozentsatz dafür ist in den USA 5% der Transaktionssumme. Manchmal betreiben sie jedoch auch Eigenhandel, sprich Spekulation, mit interessanten Objekten, d.h. zu den 5% Provision kommt die Gewinnspanne aus An- und Verkauf der meist nur vorübergehend selbst gehaltenen Aktien noch hinzu. Besonders cool wegen ihrer Größe sind natürlich Privatisierungsdeals wie Post, Telekom oder Bahn.

Albrecht Müller hat auf seinen nachdenkseiten.de die Formulierung Quango, Quasi-autonomous-non-Government-Organisations, vorgestellt, die für die Privatisierungspolitik der Thatcher Ära in Großbritannien geprägt wurde und zweifellos sehr gut auf die Privatisierung von Post, Telekom und - immer noch geplant - Bahn, auch in Deutschland paßt. Quangos ermöglichen nämlich dank weitgehend ausgeschalteter öffentlicher Kontrolle enorme private Profite der Beteiligten auf Kosten der Allgemeinheit. Meist ohne dass diese etwas davon (rechtzeitig) mitbekommt.

 Deutsche Telekom: A lot of quango?

Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst ein Blick auf unsere einschlägigen Analysen über den Erfolg dieser Transaktion hilfreich, die inzwischen durch den Bericht der Financial Times Deutschland bestätigt wurden. Zunächst wurden 34 Milliarden Euro zum Quango-Fenster USA hinaus geschmissen. Aber wer stand unterm Fensterbrett, und wer wußte, dass dort jemand stand?

Nun, am Verkauf von Voicestream - damals ein in ganz USA zusammengekauftes kaum konsolidiertes Konglomorat von neuen GSM Mobilfunkfirmen-Startups in den einzelnen US Bundesstaaten, grob geschätzt vielleicht einen einstelligen Milliardenbetrag wert - verdiente die die Firma betreuende Investmentbank Goldman Sachs. Damit aber nicht genug. Goldman Sachs war nicht nur Makler, sondern auch noch Großaktionär von Voicestream, verdiente also in der Doppelrolle und wurde durch den "Merger" Großaktionär bei der Deutschen Telekom AG - ein Großteil des Deals wurde zu Lasten der Telekom Volksaktionäre und des Bundes mit Telekom-Aktien milliardenschwer durch deren vermutlich illegale Verwässerung bezahlt. Der Kurs stürzte ins bodenlose. Hat Goldman Sachs womöglich auch darauf mit Termingeschäften erfolgreich spekuliert, um wie in der Finanzkrise Milliarden extra zu gewinnen? Die Verwässerung ist noch beim Frankfurter Aktionärsprozess der Volksaktionäre gegen die Telekom aktuell. Das juristische Problem der Kleinaktionäre dabei: In dem Prozess geht es vordergründig nur um die formale Richtigkeit des dritten Börsenprospektes, nicht aber direkt um die dahinterstehenden Machenschaften. Über die zuständigen Staatsanwaltschaften, bekanntlich in Deutschland nicht unabhängig, sondern an der kurzen Leine der Politik, ist nie bekanntgeworden, dass sie irgendeine Anklage erhoben haben, schon gar nicht gegen evtl. Drahtzieher im Hintergrund.

Zusätzlich konnte Goldman Sachs auch den nächsten Deal mit PowerTel für weitere 6 Milliarden Euro einfädeln, sprich durch das Quango-Fenster von der Telekom werfen lassen, und erneut verdienen während die eigenen Telekom-Aktien bald darauf wieder abgestossen wurden. 34 Milliarden Euro + 6 Milliarden Euro = 40 Milliarden Euro.

Desaströse Transaktionen

Die desaströsen Transaktionen, die die Telekom schließlich mit 64 Milliarden Euro Schulden im Jahr 2002 zurückließ, veranlassten wohl Bundeskanzler Schröder wegen des Volkszorns der Volksaktionäre vor der Wahl 2002 dazu, den Rauswurf von Ron Sommer als - wie sich herausstellen sollte - erfolgreiches "Bauernopfer" durch den Aufsichtsrat zu bewirken, um seine eigene Wiederwahl zu sichern.

Gerne hätte Goldman Sachs auch noch der ausgeplünderten Telekom unter Ron Sommer geholfen, T-Mobile USA wieder loszuwerden und selbst wieder mindestens Millionen, wenn nicht Milliarden vom ausgenommenen Unternehmen zu verdienen. Aber dazu kam es nicht mehr.

Wer aber ganz laut bis zuletzt gegen den Rauswurf von Ron Sommer protestierte, war Goldman Sachs. Und zwar kein geringerer als CEO Henry Paulson, der später als letzter US Finanzminister der Bush-Administration den billionenschweren Banken-Bailout zugunsten von Goldman Sachs mit amerikanischen Steuergeldern organisierte und deswegen jetzt unter schwerem Beschuss ist.

Ron Sommer - back stage

Aber die Geschichte des T-Quango ist noch nicht zu Ende. Blackstone wurde 2006 von Finanzminister Peer Steinbrück als "Investor" bei der Telekom "hereingebeten". Hinter Blackstone steht jedoch u.a. auch Goldman Sachs, wie aus dem Bericht über den Streit um die Ausplünderung von Celanese, der Substanz der ehemaligen Höchst AG, durch Blackstone u.a. hervorgeht. Und wer hat bei Blackstone wieder einen attraktiven Posten erhalten: Ron Sommer. Und das, obwohl Blackstone hätte wissen müssen, dass er die Deutsche Telekom AG mit 64 Milliarden Euro Schulden aus seinen internationalen Deals technisch gesehen ruiniert hatte. Warum also dieser Posten? Hat Ron Sommer an den Telekom-Deals von Goldman Sachs profitiert? Oder wollte Goldman Sachs damit den Schein erfolgreicher, gut beratener Auslandsinvestitionen der Telekom aufrecht erhalten - nach dem Motto "erfolgreicher" CEO Sommer bekommt natürlich einen neuen Posten? Wir wissen es nicht. Umgekehrt auf jeden Fall! Musste er deswegen wieder versorgt werden?  Sicher ist, die Rolle von Goldman Sachs stinkt zum Himmel, während Blackstone zahllose Finanzvehikel auf den Cayman Inseln hat - eine Steueroase des einstigen britischen Empires Cayman Islandsmitten im karibischen Meer, die nicht im Fokus von Herrn Steinbrück zu stehen scheint. Dort dürfte eher die Hochfinanz zu finden sein, als in der Schweiz oder Liechtenstein, wo sich wahrscheinlich mehr steuergenervte Mittelständler tummeln.

Warum blockt Brigitte Zypries?

Im vorläufig letzten Kapitel dieses Trauerspiels spielt Justizministerin Zypries die Hauptrolle. Wir erinnern uns: Frau Zypries war schon Staatssekretärin in der Regierung Schröder, ehe sie 2002 Justizministerin wurde und hat jedenfalls ihrem Kanzler immer den Rücken frei gehalten. In diesem Blog war eine Online-Petition zur Verlängerung der strafrechtlichen Verjährung bei größeren Vermögensstraftaten vorgeschlagen worden, wie sie z.B. die Plünderung der Volksaktionäre durch den Merger der Telekom mit Voicestream darstellen könnte, aber auch allerlei aktuelle, merkwürdige Vorgänge bei der "Bankenrettung". Merkwürdigerweise wurde sie ohne Angaben von Gründen nicht als online Petiton geschaltet, sondern in aller Stille vom Bundesministerium der Justiz die Ablehnung dem Bundestag vorgeschlagen, siehe auch meine Frage bei abgeordnetenwatch.de . Eine solche Aufhebung der Verjährung bei fehlender Wiedergutmachung würde hingegen unbegrenzt die strafrechtliche Verfolgung milliardenschweren Betruges ermöglichen, auch wenn dieser erst jetzt ans Tageslicht kommen sollte. Selbst dann kämen Täter hierzulande glimpflich davon: Hier gäb's wahrscheinlich für 50 Milliarden Betrug statt Madoffs 150 Jahren US Gefängnis gerade mal acht bis zehn.

Oder eben null Jahre und ein Leben mit Milliarden, weil straf- und womöglich auch zivilrechtlich verjährt oder zivilrechtlich im Ausland nicht justiziabel... Da fällt es schwer, noch an Zufälle zu glauben.

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siehe auch aktuell in der SZ: Goldman am Pranger

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1) Der Autor dieser Zeilen und Herausgeber von t-blog, Dr.rer.nat. Martin Weigele, war von 1994-1999/Q1-2000 als Arbeitnehmervertreter u.a. stv. Aufsichtsratsvorsitzender bei T-Mobile, damals direkte 100% Telekom-Tochter "DeTeMobil GmbH", Telekom-Vorstandsvorsitzender Ron Sommer die meiste Zeit zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Firma. Der Voicestream Deal der Deutschen Telekom AG fand später im Jahr 2000 statt.

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