Alle Macht den Räten?

Lothar A. Harings, Personalchef von T-Mobile International AG &Co KG, und Dr. Monika Wulf-Mathies, Leiterin des Zentralbereichs Politik und Umwelt bei der Post AG - was haben sie im Hochschulrat der Universität Bonn zu suchen?

Die Verrätung der Republik

Man kann nur noch staunen über den blindwütigen Eifer, mit dem die Verrätung dieser Republik vorangetrieben wird. In einem bemerkenswerten Vortrag an der Rheinischen Friedrichs-Wilhelms Unversität zu Bonn erläutert Wolfgang Lieb hochinteressante Zusammenhänge und Veränderungen, die, wie so oft in diesen Tagen, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit stattfinden und in der etablierten Presse kaum diskutiert werden. Denn die Presse wird oft von denjenigen kontrolliert, die diese Veränderungsprozesse vorantreiben.

So sind landauf, landab, und auch an der Universität Bonn, vom Landesgesetzgeber Hochschulräte installiert worden, die in einem Zusammenspiel mit dem jeweiligen Landeswissenschaftsministerium die bisherige Rechtsaufsicht des Ministeriums und die Finanzaufsicht des Landesparlaments weitgehend ersetzen; sie nehmen eine Art Aufsichtsratsfunktion für die Hochschulleitung dar, wählen diese aus und schließen Zielvereinbarungen mit derselben.

Dabei haben nach entsprechenden Untersuchungen externe Vertreter der Wirtschaft ein Übergewicht in diesen Räten, so auch an der Universität Bonn, wo zum Vorsitzenden dieses Rates Dr. Jörg Haas, Vorstand des Finanzdienstleistungsunternehmens Haas & Wilbert Beteiligung AG - HWB AG, ernannt wurde, und, wie bereits eingangs erwähnt, ihm ferner Lothar Harings (Personalchef T-Mobile International) und Monika Wulf-Matthies (Cheflobbyistin der Post AG, Ex-EU-Kommissarin, Ex-ÖTV-Chefin) angehören.

Mit diesen Räten wurde also die Selbstverwaltung der Professoren und anderer Universitätsangehöriger durch, wie Lieb es nennt, eine Art funktionale Privatisierung ersetzt - ein déjà vue Erlebnis:

Die Privatisierung von Telekom, Post und Bahn

Denn auch bei der Privatisierung der Bundesunternehmen Telekom, Post und Bahn entsandte der Staat ja auch zu dem Zeitpunkt, als er noch Alleineigentümer war, überwiegend Akteure der Wirtschaft in die neu gebildeten Aufsichtsräte.

Sicher, sowohl bei den Hochschulen als auch bei der seligen Deutschen Bundespost und der Bundesbahn gab es seinerzeit viel berechtigte Kritik an unbeweglichen, verkrusteten Strukturen und staatlicher Ineffizienz. Deswegen setzte die Politik auf unternehmerische Ideen - so schien es. Und begann das Experiment der Verrätung der Republik im Zeichen der These, dass Private alles besser bzw. effizienter machen. Dies gilt aber nur bei funktionierenden, idealen Märkten, die in der Praxis oft gar nicht gegeben sind.

Eine vorläufige Bilanz

Bei nüchterner Betrachtung ist die Bilanz alles andere als nur positiv:

  • Zugegeben, es gibt inzwischen beträchtlichen Wettbewerb zum Nutzen der Kunden. Jedoch wurden bei der Deutschen Telekom AG  vierzig Milliarden Euro - die Größenordnung des Staatshaushaltes von Neu-Seeland -  allein in den USA versenkt - unter der Kontrolle dieser Räte. Im Ausland dürften ingesamt sogar ca. 50 Milliarden vernichtet worden sein. Den Schaden hatten die Bürger des Landes - entweder als Kleinaktionäre, als Steuerzahler, als Mitarbeiter oder letztlich auch als Kunden - ohne dass dies bisher sanktioniert worden wäre. Ferner wäre zu untersuchen, ob dieser Schaden nicht viel größer ist, als die Ersparnisse des Wettbewerbs. Gleichzeitig wurden durch dubiose Privatisierungspraktiken Aktienkultur und Rechtsfrieden in Deutschland ruiniert. Dabei ist die Qualität der Dienstleistung im Kernbereich nicht besser geworden.
  • Bei der Deutschen Post AG sieht es nicht viel anders aus, auch dort wurden Milliarden, freilich in etwas kleineren Dimensionen, im Ausland versenkt. Gleichzeitig wurde parallel zu den Auslandsabenteuern die inländische Dienstleistungspräsenz den Kunden gegenüber permanent verschlechtert.
  • Bei der Deutschen Bahn AG hat sich durch die Privatisierung die Qualität der Dienstleistung nicht verbessert, z.T. sogar verschlechtert. Für Auslandsabenteuer war durch die alleinige Eignerschaft des Bundes bisher noch keine Gelegenheit, das wird sich nun ändern.
Dies führt zur Frage:

Was ist faul an den Räten?

Der Grundfehler der Besetzung staatlicher Aufsichtsratsmandate mit nebenamtlichen Vertretern der Wirtschaft ist deren völlig fehlende demokratische Legitimation und damit auch Verantwortlichkeit. Dies gilt für die dergestalt besetzten Aufsichtsräte der teilprivatisierten Bundesunternehmen gleichermaßen wie für Hochschulräte. Denn wer bewacht die Wächter? Niemand. In der Praxis führt dies dazu, dass die Mandate zur reinen Lobby- und Machtfunktion verkommen. Ganz parallel übrigens die Situation in der Europäischen Union mit dem Minsterrat als allumfassendem Einflußgremium. Dort merkt man noch nicht einmal mehr, wenn gerade die parlamentarische Demokratie - versehentlich? - abgeschafft wird.

Wenn solche Ratsstrukturen also ihren Zweck erfüllen sollen, dann müssen auch die Räte dringend kontrolliert werden - und wenn sie staatliche Macht ausüben, dann bedürfen sie einer demokratischen Legitimation - z.B. durch eine Wahl im jeweiligen Parlament. Werden sie nicht kontrolliert, hat man den Teufel - der Mißstände, gegen die sie in Stellung gebracht werden - mit dem Beelzebub mafiöser Strukturen ausgetrieben. Und deshalb haben weder Frau Wulf-Matthies noch Herr Harings etwas im Hochschulrat der Universität Bonn verloren.



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