Angriff auf die Demokratie

Nach den Bespitzelungsaktionen bei der Telekom jetzt also auch bei der Bahn: Kontakte zu Journalisten wurden bespitzelt. Es sollten ja "nur Betriebsgeheimnisse geschützt" werden, die womöglich von Betriebsräten oder gar dem eigenen Management ausgeplaudert werden sollten. In Wahrheit gilt: Die Bespitzelungsaktionen sollten die demokratische, kritische, öffentliche Kontrolle des eigenen Verhaltens auf ein Minimum reduzieren. Mutmasslich mit dem Segen des Staates im Staate, genannt Bundesfinanzministerium. Von Betriebsgeheimnis keine Spur.

Denn all zu verräterisch ist die Standardantwort des Bundesministers der Finanzen auf parlamentarische Anfragen z.B. zum IKB-Skandal, der den Bundeshaushalt mit Milliardenrisiken belastet. Trotz des enormen, berechtigten Interesses der Volksvertreter, sich über die Verschwendung von Milliarden Volksvermögen zu informieren, beschied man sowohl die Fraktion der LINKEN im April 2008 , als auch die Fraktion der FDP im Oktober 2007 bei kritischen Fragen immer wieder, die Antwort der Bundesregierung unterläge angeblich Schweigepflichten nach § 116 Aktiengesetz. Es ist offenbar lange her, dass man im Finanzministerium etwas vom Verfassungsrang demokratischer Kontrolle und dem Budgetrecht des Parlamentes gehört hat. Diente die Formalprivatisierung von Post, Bahn und Telekom gar vor allem der Ausschaltung demokratischer Kontrolle, damit einzelne sich besser bereichern können? Fast könnte man den Eindruck gewinnen. Jetzt hat offenbar auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages den Abgeordneten den Rücken gestärkt.

Vielfach sind in diesem Blog die Parallelen im Verhalten des Bundesfinanzministeriums in bezug auf den IKB-Skandal oder die noch skandalösere Telekom-Ballade aufgezeigt worden, jetzt dürfen wir uns auch noch auf die Bahn freuen.

Ist es also Zufall, wenn offenbar nicht nur bei der Deutschen Telekom AG "in eigener Sache", sondern auch bei der Deutschen Bahn Fernmeldegeheimnis und Datenschutz grob mißachtet wurden? Und war eine der Personen, gegen die jetzt deswegen ermittelt wird, nicht auch noch Chef der Deutschen Post AG?

Die Interessenlage spricht eindeutig dagegen, dass es sich bei all dem um Zufälle handelt. Denn sowohl bei der Deutschen Telekom AG, als auch bei der Bahn gab es dasselbe Interesse: Das öffentliche Interesse an den vom Bundesfinanzministerium (BMF) (mit) zu verantwortenden skandalösen Zuständen klein und diese möglichst geheimzuhalten - nämlich die Angst im BMF, von dem all diese Unternehmen aktienrechtlich abhängig sind, vor dem Wähler, bzw. die völlige Abgehobenheit und Respektlosigkeit einiger Ministerialbeamter vor dem Souverän, dem Bürger. Bei der Telekom ging es ums abgezockte Geld, bei der Bahn auch - dort in der Form künftiger Streckenstillegungen und vom Deutschen Volk mehrheitlich abgelehnter Privatisierungspläne, die um keinen Preis ans Licht der Öffentlichkeit dringen sollten. Auch sonst steht man gern über dem Gesetz, sei es bei der Beschaffung von Bankdaten von Hehlern für Steuerzwecke oder bei der systematischen Rechtsverweigerung für Steuerbürger durch sogenannte Nichtanwendungserlasse für erstrittene höchstrichterliche Entscheidungen. Warum sollte man sich also um das Fernmeldegeheimnis scheren?

Und hinter all dem steht ganz offensichtlich kein Gemeinwohl-, sondern ganz private Interessen, "privat" im Sinne des lateinischen Ursprungswortes "privare" , zu deutsch: berauben. Hoffen wir also, dass sich die Bonner Staatsanwaltschaft als von politischen Weisungen hinreichend unabhängig erweisen wird. Denn alle Ermittlungen gegen die Deutsche Telekom AG und ihre Vorstände in der Vergangenheit sind, wenn auch z.T. gegen Zahlung von Geldbußen, nach Jahren eingestellt worden. Dennoch beschäftigen 16.000 Kleinanleger weiterhin die Justiz - sie fühlen sich belogen und betrogen.

[6.6.2008] Siehe auch: Die Erinnerung an Klaus und die Detektive

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