Börsenfusion - "Even more stupid German money"?
Diese Frage stellt sich zwangsläufig, wenn man einige Indizien zusammenträgt:
Da ist zum einen Michael Lewis Buch, "The Big Short - Inside the Doomsday Machine", das seit ganz kurzem auch als deutsche Übersetzung erhältlich ist. Wer das Buch liest, muß zu dem Ergebnis kommen, dass vielen großen Akteuren an Wall Street, darunter maßgeblich auch die Deutsche Bank, jegliche moralischen Maßstäbe abhanden gekommen sind, und zudem auch noch die Dummheit in höchsten Etagen entsetzlich regiert.
Da ist zum anderen der offizielle Bericht über die Finanzkrise, der nach Meinung empörter Wallstreet Insider wesentliche Fragestellungen nicht aufgeklärt hat.
Nun betreffen zwar die betrügerischen Ereignisse der Finanzkrise gerade nicht direkt den eigentlich stark regulierten Börsenhandel mit Aktien. Jedoch ist auch der Aktienhandel normaler Anleger von vergleichbaren Manipulationen massiv bedroht.
Die amerikanische Börsenaufsicht SEC untersucht seit mehr als einem Jahr die sogenannten "High Frequency Trades" vor allem an der New York Stock Exchange, dem Fusionspartner der Deutschen Börse, kommt aber nicht wirklich voran. Worum geht es dabei? Große, mit Hochleistungsrechnern ausgestattete Institutionen wie Hedge Fonds oder mindestens in der Vergangenheit auch Ex-Investmentbanken wie Goldman Sachs handeln per Computeralgorithmen blitzschnell im Millisekundenbereich an der Börse und schöpfen damit systematisch etwaige Gewinne der "normalen", langsameren Investoren ab, mutmasslch ein fast risikoloses Milliardengeschäft.
Sergey Aleynikov, ein früherer Angestellter von Goldman Sachs und Experte für diese Software, wurde, als er die Bank verlassen wollte und Software mitnahm, erstaunlicherweise nicht in einen Zivilprozess ver-, sondern von der amerikanischen Bundesregierung in einem Strafprozess angeklagt. Sehr wahrscheinlich bestand die mitgenommene Software jedoch aus Open Source Code, denn viele der benötigten Softwarekomponenten dürften unter der GPLizenz allgemein verfügbar sein. Inzwischen wurde er dennoch von einer Jury verurteilt, vermutlich aber noch nicht rechtskräftig. Ob diese Geschworenen die für die Beurteilung des Diebstahlstatbestands wichtigen Feinheiten von Open Source Code Software Lizensierung verstanden haben, sei einmal dahin gestellt. Das Bemerkenswerte an der Anklage: Der Staatsanwalt führte aus, Aleynikov habe "Software zur Manipulation der Märkte" von Goldman Sachs gestohlen. Erstaunlicherweise wurde Aleynikov wegen angeblichen Diebstahls, nicht aber sein Arbeitgeber Goldman Sachs wegen "Manipulation der Märkte" angeklagt. Nun, alle Finanzminister der amerikanischen Bundesregierungen seit Präsident Clinton bis hin zu Obama kommen von Goldman Sachs.
Es ist davon auszugehen, dass es sich bei dieser Software um Software für High Frequency Trades handelte. Steckt hinter der Fusion von Deutscher Börse und New York Stock Exchange veilleicht die Absicht, nun auch den deutschen Aktienmarkt mit solchen High Frequency Trades besser abzocken zu können?
Hier kommt ein weiterer passender Mosaikstein: Wie die Financial Times Deutschland heute berichtet hat, droht dem deutschen Handelssystem XETRA im Rahmen der Fusion das Aus. Es wird wahrscheinlich Opfer der Fusion. Die elektronischen Orderbooks der deutschen Aktien würden danach mutmasslich künftig in dem System geführt, an dem die Wall Street Akteure mit ihren High Frequency Trades in New York die Anleger absaugen. Da es um Milisekunden geht, ist natürlich auch eine ortsnahe Anbindung in New York an ihre Rechenzentren für die Akteure entscheidend, die Entfernung New York-Frankfurt bedeutet für diese Akteure einen zu langsamen Zugriff, denn wegen der begrenzten Lichtgeschwindigkeit bei der Übertragung der elektronischen Daten kommen je nach Übertragungsweg etliche Millisekunden Nachteil für die High Frequency Trades zusammen.
Dass eine deutsche Finanzaufsicht es schaffen würde, was der SEC, der amerikanischen Börsenaufsicht, schon nicht gelingt, nämlich dann in New York hochkomplexen Computerhandel zu kontrollieren und die mutmasslich massiven Marktverzerrungen mit Milliardenabschöpfung durch High Frequence Trades zu beenden, dürfte illusorisch sein.
Sollte dem also tatsächlich so sein - und man muss wohl, wenn sich an den moralischen Werten von Wallstreet gegenüber "the big short" nichts geändert hat - und warum sollte das mangels Strafverfolgung der Fall sein - fast sicher vom Schlimmsten ausgehen - werden die am deutschen Aktienhandel teilnehmenden künftig kräftig durch High Frequency Trades abgezockt.
Wenn dann alles verzockt ist, wird vielleicht eines Tages in Frankfurt wieder die gute alte öffentlich-rechtliche, amtliche Börse aus den Ruinen global-betrügerischer Finanzwirtschaft wieder auferstehen, deren letzte Reste 2007 "Fortschritt" und Privatisierungswahn zum Opfer fielen. Bis dahin geht wohl even more stupid German money - down the drain.
Inhaltspezifische Aktionen