Die große Privatisierungs-Illusion

Die große Privatisierungs-Illusion, dass Private für die Allgemeinheit automatisch besser und billiger sind, trifft jedenfalls auf natürliche Monopole nicht zu. Volkswirtschaftliche Effizienzreserven können nur dann gehoben werden, wenn zugleich mit der Privatisierung voller Wettbewerb hergestellt wird - das ist aber gar nicht überall möglich. Zudem ist eine Staatsbeteiligung dann an solchen Unternehmen kontraproduktiv, denn die Zwitterrolle des Staates als Eigentümer und Regulierer ist ein kaum handhabbarer Interessenkonflikt. Die Lehren aus Telekom und Post.

"Dienstleistungen werden im Wettbewerb besser und billiger durch Private erbracht"

Diese Aussage ist zweifellos richtig - aber nur da, wo es tatsächlich Wettbewerb gibt. Ein Staatsweingut oder eine Staatsbrauerei braucht der Staat nicht - sie sind nur "nice to have" für die Regierenden, aber zum Glück auch ordnungspolitisch unbedeutend. Kritisch wird es überall dort, wo es eine Art natürliches Monopol gibt. Aus diesem Grund hat man versucht, diese natürlichen Monopole dort, wo sie privat bzw. privatisiert worden sind, zu regulieren und zum Teil dadurch Wettbewerb zu schaffen. Beispiele dafür sind die Deutsche Telekom AG und die Post AG. Aber durchaus kann man sich auch über die Privatisierung von Rentenleistungen à la Riester Gedanken machen - wer ausser dem Staat kann wirklich 100%ig garantieren, dass nach 30-50 Jahren von der privaten Vorsorge noch etwas zurück kommt? Auch das ist eine Art natürliches Monopol.

Deutsche Telekom AG

Im Festnetz ist es der Regulierung tatsächlich gelungen, einen erheblichen Wettbewerb zum Nutzen der Verbraucher gegen die teilprivatisierte Telekom zu schaffen. Im Mobilfunk, wo es von Anfang an ein Oligopol gab, hat sich ein Wettbewerb nicht so richtig eingestellt: Durch die UMTS-Auktion hatte die Regulierungsbehörde, die Bundesnetzagentur 50 Milliarden Euro schwere Markteintrittsbarrieren geschaffen und so ihren eigenen gesetzlichen Regulierungsauftrag völlig verfehlt. Die neuen Spieler, die in den Markt eintreten und für mehr Wettbewerb sorgen wollten, gaben entnervt auf.

Die vielgepriesene Internationalisierung der Deutschen Telekom AG, vor allem in die USA, ist bisher den zahlenmäßigen Beweis schuldig geblieben, dass sie eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte ist. Eher gibt es zahlreiche Anzeichen, dass es ein gigantisches Desaster ist, das man nicht wahr haben will. Denn sonst lägen ja längst Gewinnzahlen auf dem Tisch.

Bei all dem bleiben aber etliche Zukunftsfragen der Weiterentwicklung der nationalen Infrastruktur ungelöst. Der Bundestag hat zwar in der letzten Woche lang und breit über die Notwendigkeit einer flächendeckenden Breitbandversorgung debattiert, läßt aber pragmatische Lösungsansätze vermissen - obwohl die eigentlich gar nicht so schwierig sind. Die Bundesnetzagentur setzt andererseits weiter auf teure Auktionen für Funkfrequenzen, die so neue private Initiativen vor Ort verhindern. Gleichzeitig wird die Deutsche Telekom AG seit Jahren von Großaktionär Bund, zuletzt mit seiner Dividendenpolitik, ausgeplündert, so dass auch sie diese Aufgabe nicht übernehmen will - und warum sollte sie das als gewollt eigennützige Aktiengesellschaft auch tun? Es ist daher keine Besserung in Sicht, und wichtige Zukunftsthemen bleiben ohne Antwort.

Deutsche Post AG

Die Deutsche Post AG, ebenfalls teilprivatisiert, mit einem de-facto, jetzt privaten Monopol, hat zwar seit den Zeiten der Deutschen Bundespost erheblich rationalisiert, die Dienstleistungen für die Allgemeinheit sind jedoch nicht besser oder preiswerter geworden. Im Gegenteil ist die Präsenz beim Kunden vor Ort drastisch zurückgegangen. Gleichzeitig hat die Bundesregierung einen echten Wettbewerb aufgrund des hohen Postmindestlohns faktisch verhindert. Andererseits ist ein solcher Wettbewerb anscheinend auch nur mit Dumping-Löhnen möglich, die dann am Ende wieder staatlich subventioniert werden müssen.

Die Deutsche Post AG Internationalisierung ist in den USA ebenfalls gescheitert und hat auch hier Milliarden Euro ehemaliges Volksvermögen in die USA transferiert.

Die Frage ist, brauchen wir das? War das sinnvoll? Ist es für die Zukunft des Landes sinnvoll?

Deutsche Bahn AG

Auch hier gibt es den Zielkonflikt zwischen öffentlicher Infrastrukturaufgabe, für die der Staat zuständig ist, und dem fiskalischen Interesse des Staates einschließlich hinzutretender privater Investoren. Eigentlich gibt es nur zwei sinnvolle Lösungen:

  1. Entweder die Bahn wird zu 100% privatisiert, während das Netz in der Hand des Staates bleibt. Dann können auf diesem Schienennetz verschiedene private in Wettbewerb treten. Dieses Modell verspricht die meisten Effizienzgewinne - theoretisch. In der Praxis ist es jedoch vielfach gescheitert und hat z.B. in Großbritannien zu einer völlig maroden Bahn geführt. Genauso die Privatisierung der Bahnen in den USA, die inzwischen wieder verstaatlicht wurden - auch dort blieb eine marode Bahninfrastruktur zurück. In USA werden fast nur noch Flugzeug, Bus und Auto genutzt.
  2. Oder die Bahn bleibt staatlich und nimmt ihre öffentliche Infrastrukturaufgabe war. In einem gewissen Wettbewerb steht sie auch dann, weil es ja einen Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern gibt. Durch Umwandlung der Aktiengesellschaft in eine GmbH oder einen Eigenbetrieb des Bundes würde die durch die Rechtsform der Aktiengesellschaft entzogene parlamentarische Kontrolle über Mehdorn'sche Exzesse wieder hergestellt.
  3. Die Bahn wird, wie geplant, teilprivatisiert. Diese Lösung ist garantiert nicht sinnvoll und nur optisch ein sinnvoller Kompromiss. Denn ein Minderheitanteil von 24,9% wird nicht genügend Geld in die Kasse bringen. Man wird die Investoren nur mit dem Geheimversprechen gewinnen können, dass später eine weitere Aufstockung erfolgt. Da dann wirtschaftliche Schwierigkeiten vorprogrammiert sind, werden sie das auch leicht durchsetzen.

Dabei ist es doch eine völlige Illusion zu glauben, dass private Investoren ihr Geld für den generellen Ausbau der öffentlichen Infrastruktur einfach so zu Verfügung stellen. Das erklärte Ziel von Finanzinvestoren ist die maximale Gewinnoptimierung. Das ist auch nicht verwerflich. Verwerflich ist es, die Illusion zu nähren, es wäre anders!

Interessant wird die Bahn für solche Investoren dadurch, dass sie ein natürliches Monopol darstellt, dass sich hervorragend dazu eignet, Gewinne durch "Optimierung der Infrastruktur" auf Kosten der Allgemeinheit zu maximieren - wenn man erst Mal die Kontrolle hat. Aus diesem Grund ist eine staatliche Bahn besser als eine Privatisierung, die auf ein privates Monopol hinausläuft und durch die Mischung von privatem und Staatsanteil auch noch einer sinnvollen Kontrolle weitgehend entzogen ist - Telekom und Post lassen grüßen.

Noch sind bei der Bahn keine Milliarden im Ausland verschwendet worden.

Und schlußendlich gibt es noch einen letzten Aspekt: Die großen internationalen Finanzinvestoren sind heute vielfach de-facto Staatsfonds, d.h. sie sind mit dem Kapital von Ländern wie Rußland, China oder der Vereinten Arabischen Emirate gespeist. Welchen Sinn macht es, wichtige öffentliche Infrastruktur in Deutschland in die Hände von Ländern zu geben, die keine Demokratien sind und im harten wirtschaftlichen und politischen Wettbwerb zu uns stehen? Eine solche Politik ist völlig verfehlt. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass sie auch deshalb weiter betrieben wird, weil für einige Politiker nach der Privatisierung lukrative Posten bereitstehen. Das wäre nicht das erste Mal.


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