Dummshoring

Die Verlagerung hochqualifizierter IT-Arbeitsplätze in benachbartes Billiglohnausland und, gar auf andere noch preiswerter erscheinende Kontinente, bezeichnet man gerne als Near- oder Offshoring. Doch all zu leicht wird daraus Dummshoring.
Nach einem Jahr Suche konnte T-Systems Anfang März mit dem US-amerikanischen Offshore-Spezialisten Cognizant endlich einen Partner präsentieren. Allein der Umstand, Kunden, Mitarbeiter und Partner über Monate im Ungewissen zu lassen, zeugt von wenig Professionalität. Nahezu erschreckt zeigten sich die Marktforscher von IDC, wie die Deutsche Telekom in den vergangenen Monaten und Jahren mit ihrer IT-Tochter umgesprungen ist. Angesichts der jüngsten Entwicklung haben die unabhängigen Experten auch wenig Hoffnung auf Besserung. Das Konzern-Management erkennt offenbar nicht den Wert von T-Systems für die künftige Entwicklung des gesamten Konzerns.

So schreibt die Branchen-angesehene Computerwoche. CeBiT 2008Die Marktforscher von IDC verhehlen auch nicht ihre große Skepsis in bezug auf die gefundene Partnerschaftslösung mit Cognizant. Denn all zu leicht könnte der Fall eintreten, dass Cognizant von T-Systems profitiert, aber nicht umgekehrt. Auch bisher ist das Telekom-Topmanagement den Beweis schuldig geblieben, dass es in fremden Kulturen erfolgreich ist, noch nicht einmal in den kulturverwandten USA. Jetzt kommt zur angelsächsischen Finanzkultur noch die indische Geschäftskultur dazu, zu der man als Schnittstelle fungieren will.....

Warum ist das so? Es gibt eine Vielzahl von Ursachen, die nun in einer fortgesetzten Abwärtsspirale münden werden:

  • Das Top-Management der Deutschen Telekom AG ist auch vom Know-How her völlig fehlbesetzt: Es dominieren Kaufleute, die frühere Erfolge mit einfach strukturierten Produkten erzielt haben (Faxgeräteverkauf, Handyverkauf, PC/Mac-Standardsoftwareverkauf). Sie haben nicht die entfernteste Ahnung von komplexen Technologien und deren erfolgreicher Vermarktung, schon gar nicht von der notwendigen Vernetzung verschiedenster Technologien, um daraus neue Wertschöpfung zu schaffen. Deshalb fällt ihnen auch ausser Sparen und Personalabbau nichts, aber auch rein gar nichts ein. Auch interkulturelle Kompetenz sucht man in dieser geistigen Wüste vergebens.
  • Wegen der dergestalt fehlenden Ideen wird verzweifelt jeder betriebswirtschaftlichen Mode hinterhergerannt. Offshoring nach Indien, das ist modern (naja - vor fünf Jahren in den USA), das machen wir. Hamid Akhavan hat dort mal etwas davon gehört, freilich übersehen, dass die dortige Offshoring Welle schon wieder zurückschlägt und die kulturellen Voraussetzungen in USA völlig andere sind - obwohl er schon lange im Lande lebt und für zig-tausende deutsche Mitarbeiter zuständig ist, kann der Mann ja kein Deutsch... Aber selbst in USA, wo Englischkenntnisse die Kommunikation mit Indien erleichtern, ist das kulturelle Problem riesig, und zahllose Offshoring-Projekte sind in der Realität an sprachlichen und kulturellen Kommunikationsproblemen gescheitert. Denn die Achillessehne der Softwareentwicklungs- und Technologieintegrationsprojekte im Sinne erfolgreicher Erfüllung der Anforderungen der Auftraggeber bzw. Anwender ist bei Verwendung modernster, hochproduktiver Softwareentwicklungswerkzeuge gar nicht der Stundenlohn, der im übrigen vor allem durch Währungsdisparitäten so viel niedriger liegt als bei uns. Es ist vielmehr die erfolgreiche Rückkopplung und Kommunikation zwischen Entwicklern bzw. Integratoren und Anwendern zur Problemlösung. Dieser an sich schon schwierige Prozess - Toll Collect u.a. lassen grüssen! - gelingt über verschiedene Kulturen, Sprachen und Zeitzonen hinweg nur noch viel mühsamer, meist gar nicht oder nur bei sehr stark rein technisch geprägten Projekten, wie sie vielleicht - ein paar - bei Lieferanten von T-Systems zu finden sind.
  • Endgültig zum Dummshoring werden solche Projekte, wenn sie gegen die bisherigen Know-How Träger durchgeführt werden: Immerhin 3000-4000 inländische Anwendungsentwicklerstellen pro Jahr sollen nach Indien zu Cognizant verlagert werden und im Inland wegfallen. Solch ein Angriff auf intelligente Menschen führt zu Gegenreaktionen. Die Bedrohung der eigenen Arbeitsplätze läßt nicht nur die verbliebenen Leistungsträger abwandern, sondern mindestens still die Kooperation verweigern. Das Schaffen einer sinnvollen Win-Win-Situation durch Einbeziehung indischer IT-Cracks, das die Innovationsfähigkeit des Konzerns befruchtet, wird so von vorneherein verhindert. Es ist freilich logisch, denn der Telekom-Vorstand hält ja die eigenen Mitarbeiter gar nicht für Leistungs- und Know-How-Träger, sondern für lästige Zahlen, die der eigenen gerne millionenschweren Zielerreichung im Wege stehen. Damit ist die Abwärtsspirale vorprogrammiert. Die dringend benötigten Innovationen aus dem Zusammenwachsen von Festnetz, Mobilnetz und Informationstechnologien werden woanders stattfinden und nicht die zum wirtschaftlichen Erfolg nötige zusätzliche Wertschöpfung schaffen.
  • Und die mittelbare Bundesbeteiligung T-Systems - für die Verwaltung der Bundesbeteiligungen ist das Bundesfinanzministerium verantwortlich - schadet mit dieser "Personalpolitik" massiv dem Standort Deutschland.Teufel mit Krawatte

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