"EU-Finanzminister" - wo bleibt die Demokratie?

Einen ganzen Schwerpunkt widmet die sterbende Financial Times Deutschland (FTD) heute einem "EU-Finanzminister", den wir anscheinend dringend brauchen. Wenn der aber nicht vernünftig demokratisch legitimiert wird, wird die EU bald der FTD in den Abgrund folgen.

Es ist typisch für europäische Verfassungsdiskussionen. Einige "Ökonomen" diskutieren darüber, was wir alle dringend brauchen. Etwa einen "EU-Finanzminister." Aber darüber, wie die demokratischen Mindestanforderungen geregelt werden sollen, hört man rein gar nichts. Bloß nicht darüber reden.

Dabei bestimmt das Grundgesetz in seiner Ewigkeitsklausel, dem Art. 79 Abs. 3 GG u.a., dass das Fundamentalprinzip der Demokratie als Herrschaftsform nicht aufgegeben werden kann. Also können insbesondere auch keine wesentlichen Hoheitsrechte an eine Europäische Union übertragen werden, die diesen Anforderungen nicht genügt.

Wo hapert es bei der EU Demokratie?

Nur wenigen ist bewußt, dass das Europäische Parlament in mehrfacher Hinsicht kein richtiges Parlament ist. Zum einen hat es kein in den Verträgen verbrieftes Recht der Gesetzesinitiative. Das hat allein die EU-Kommission, die selbst weder richtig demokratisch legitimiert noch dem Parlament verantwortlich ist. Das ist unter anderem der Grund, weshalb hirnrissige EU-Vorschriften wie etwa das Glühbirnenverbot von den Parlamentariern in Straßburg nicht mehr gekippt werden können, selbst wenn es dafür eine breite Mehrheit im Parlament gibt. Sie haben schlicht nicht das Recht, darüber abzustimmen. Worüber sie überhaupt mit Gesetzeskraft abstimmen dürfen, das bestimmen allein Brüsseler Bürokraten! Damit hat das Europäische Parlament in dieser Hinsicht weniger Rechte als etwa ein Betriebsrat.

Zum anderen ist das Europäische Parlament nicht stimmwertsgleich zusammengesetzt. Die Bürger von Malta wählen mit 67.000 Stimmen einen Abgeordneten, in Deutschland oder Frankreich sind es dagegen ca. 800.000. Diese massive Verzerrung durch die sogenannte "disproportionale Sitzverteilung" bedeutet im Umkehrschluss, dass es für deutsche Bürger etwa 8-10 Mal schwieriger ist, mit ihrem Europaabgeordneten zu kommunizieren, als mit ihrem Bundestagsabgeordneten, der für ungefähr 100.000 Bürger gewählt ist. Im Ergebnis führt dies zu einer völligen Entkopplung der Europaabgeordneten von denjenigen, die sie vertreten sollen. Das ist ideal für Lobbyisten aller Art, die diese Lücke gerne füllen. Demokratische Legitimation kann so nicht vermittelt werden, der vor mehr als zweihundert Jahren mit Blut, Schweiß und Tränen endlich erkämpfte Grundsatz der allgemeinen, freien und gleichen Wahl ist nicht verwirklicht.

Nicht zuletzt deshalb schützt uns noch das Grundgesetz mit seiner Ewigkeitsklausel vor einem unausgegorenen "EU Finanzminister". Damit der Schutz aber nicht im Ökonomengeschrei untergeht, ist eine breite politische Debatte darüber nötig, wie in einem noch höher integrierten Europa die Demokratie gewährleistet bleiben kann - oder ob sie nicht bei den Nationalstaaten besser aufgehoben ist und die Brüsseler Kompetenzen vielleicht reduziert werden müssen, um wieder zu demokratischen Verhältnissen zu kommen.

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