Karl Gerhard Eick, der große Obfuskator (Teil I)

"obfuscare" ist Lateinisch für vernebeln, verdunkeln. Als engl. "obfuscation" bezeichnet man die Technik, die wahren Berechnungen einer Software in deren Code durch komplizierteste Programmierung zu verschleiern. Auf dem Gebiet von Bilanzen und Gewinnen gibt es kaum einen, der dies so meisterhaft beherrscht wie Karl Gerhard Eick, Finanzvorstand der Deutschen Telekom.

Der große Obsfuskator: Karl Gerhard EickEin absolut faszinierender Mann: An Intelligenz seinem Vorstandsvorsitzenden weit überlegen, bestens ausgebildet, mächtig, als Mitglied auch im Aufsichtsrat der Deutschen Bank AG bestimmt bestens vernetzt, mit Millionen hochbezahlt, Meister der Rechnungslegung. Und doch sind seine Talente verschwendet, wie glänzend er sich auch bemüht, seine Zahlen im bestmöglichen Licht darzustellen: Denn durch die seit Jahren andauernde Ausplünderung des Unternehmens ist das Glas ist bei der Deutschen Telekom AG bereits fast leer. Um das zu sehen, muss man nur das Bild genau vergrößern (auf das Bild klicken oder weiterlesen).

Der "großartige" Bilanzgewinn wird verteilt

In der Einladung des Vorstandes zur Hauptversammlung am 15. Mai 2008 in die Köln-Arena heißt es:

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor zu beschließen:
Der im Geschäftsjahr 2007 erzielte Bilanzgewinn von € 6.678.623.284,42 wird wie folgt verwendet:
Ausschüttung einer Dividende von € 0,78 je dividendenberechtigter Stückaktie = € 3.385.545.190,56
und Vortrag des Restbetrags auf neue Rechnung = € 3.293.078.093,86.

Man muss sich die Formulierung auf der Zunge zergehen lassen: Ein Bilanzgewinn von 6,7 Milliarden Euro wurde erzielt. Toll, denkt der unbefangene Leser. Dabei gibt es nur ein klitzekleines sprachliches Problem: Bilanzgewinne werden nicht erzielt, sie werden festgesetzt, und zwar von Vorstand und Aufsichtsrat. Ein Bilanzgewinn errechnet sich nämlich nach folgendem prinzipiellem Schema und ist damit (mit gesetzlichen Einschränkungen) gestaltbar:


Jahresüberschuss(+) bzw. -Jahresfehlbetrag(-)
+ Gewinnvortrag aus dem Vorjahr bzw. - Verlustvortrag aus dem Vorjahr
+ Entnahme aus Rücklagen bzw. - Einstellung in Rücklagen
= Bilanzgewinn (+) bzw. Bilanzverlust (-)


In Wahrheit ohne Trick 4 Milliarden Miese bei der AG

Zunächst hatte die Telekom diese Berechnungen gar nicht offengelegt, sondern nur den Konzernjahresabschluss. Aus dem konnte ein Bilanzgewinn von 6,7 Milliarden Euro aber keinesfalls nachvollzogen werden. Kurz nach unserer Nachfrage bei Investor Relations fand sich dann plötzlich neben dem bisher veröffentlichten Konzernabschluß 2007 auch der Jahresabschluß der Deutschen Telekom Aktiengesellschaft als Anlage zum o.a. Beschlusstagesordnungspunkt - also nicht des Konzerns, der alle mehrheitlich zugehörigen Unternehmen mitbetrachtet, also gewissermassen aufsummiert. Die Fachleute sprechen von konsolidieren. Dazu muss man wissen, dass § 158 Aktiengesetz vorschreibt, dass die Zahlen des hier vorgestellten Berechnungsschemas offengelegt werden. Parallel dazu schreibt § 290 Handelsgesetzbuch für Konzerne wie z.B. die Telekom eine Konzernrechnungslegung vor. Der Grund ist klar: Die wirtschaftlichen Verhältnisse im Konzern, d.h. für alle mehrheitlich dazugehörenden Unternehmen, können nur sinnvoll in ihrer Zusammenfassung beurteilt werden, weil ja zwischen den Konzernunternehmen Gewinne und Verluste gestaltet werden können, aber das Gesamtergebnis das wirtschaftlich wirklich aussagefähige ist.

Mobilisierung von 17,3 Milliarden € stillen Reserven bzw. rechnerische Entnahme von 10,7 Milliarden € in der AG...

Mit einem Trick besorgt man sich mal eben 17, 3 Milliarden Euro in der vom Vorstand für den Bilanzgewinn und die Dividende zugrunde gelegten Gewinn- und Verlustrechnung der Aktiengesellschaft (und nicht des Konzerns). Das liest sich folgendermaßen (AG-Abschluß, S. 50):

Im Berichtsjahr wurde die T-Mobile International Holding GmbH auf ihre Tochtergesellschaft T-Mobile International AG verschmolzen (Downstream Merger), wodurch die Deutsche Telekom AG nunmehr eine unmittelbare Beteiligung an der T-Mobile International AG hält. Die Ermittlung der Anschaffungskosten dieser Beteiligung erfolgte nach den handelsrechtlichen Tauschgrundsätzen durch die Bewertung der untergegangenen Anteile der T-Mobile International Holding GmbH mit ihrem Zeitwert, woraus ein steuerfreier außerordentlicher Ertrag in Höhe von 17,3 Mrd. € entstand.

Der unbefangene Leser denkt, toll, extra Gewinne von 17,3 Milliarden, und das Management ist auch noch so Spitze, dass es geschafft hat, dass das noch nicht mal versteuert werden muss! Was aber ist die Realität? Schlicht durch eine Änderung der Konzernorganisation (Wegfall einer Beteiligungsebene) wurden 17,3 Milliarden € stille Reserven aktiviert. Und klar, Steuern brauchen keine bezahlt werden, denn es wurde kein Geld verdient, sondern nur Buchwerte bei der AG künstlich erzeugt, die auch in der Konzernbetrachtung wieder verschwinden.

Damit sieht die Angelegenheit jetzt so aus:


Deutsche Telekom
Aktiengesellschaft AG gew. Geschäftstätigkeit ohne Aktivierung des konzerninternen Firmenwertes (17 264 Mio €)
Konzern (d.Aktionären zuzurechnen)
Jahresüberschuss +13 284 Mio €
-  3 975 Mio €
+ 569 Mio €
Gewinnvortrag +       37 Mio €
+      37 Mio €
?
Entnahme (+) aus / Einstellung(-) in Rücklagen - 6 642 Mio €
+10 671 Mio €
?
Bilanzgewinn +6 679 Mio €
+ 6 679 Mio €
?
Dividendenausschüttung
- 3 386 Mio €
-  3 386 Mio €
-3 386 Mio €
Vortrag auf neue Rechnung
+3 293 Mio €
+ 3 329 Mio €
?


Statt einer vermeintlich lobenswerten Rückstellung des hälftigen Jahresüberschusses in Höhe von 6,7 Milliarden Euro ergibt sich nun plötzlich eine rechnerische Entnahme aus den Rücklagen der AG in Höhe von 10,7 Milliarden Euro, zusätzlich zum Jahresfehlbetrag von fast vier Milliarden Euro.

... und 2, 8 Milliarden € werden der Substanz des Konzerns entzogen

Für eine Konzernbetrachtung fehlen die Zahlen analog § 158 AktG - Überleitung von Jahresüberschuß zum Bilanzgewinn für den Konzern. Jedoch ist klar, dass die Dividende mit 3 386 Mio € das sechsfache des erzielten Jahresüberschuss beträgt, also 2 817 Mio € aus der Substanz des Konzerns finanziert werden.

Wie ganz anders liest sich das bei der Telekom im Konzernlagebericht in der Gesamtzusammenfassung auf Seite 1:

Konzentrieren und gezielt wachsen – das ist das Motto unserer Konzernstrategie. Wir haben sie auf vier Handlungsfelder ausgerichtet: die Verbesserung der Wettbewerbsfahigkeit in Deutschland und in Mittel- und Osteuropa, das Wachstum im Ausland durch Mobilfunk, das Mobilisieren von Internet und Web 2.0-Trend sowie den Ausbau netz-zentrierter ICT. Die Erfolge unserer Strategie sind sichtbar: Wir haben den Konzernumsatz um 1,9 % auf 62,5 Mrd. € gesteigert. Es ist uns gelungen, unser Ziel fur das bereinigte EBITDA mit 19,3 Mrd. € leicht zu ubertreffen und den Free Cash-Flow um 3 Mrd. € auf 6,6 Mrd. € zu steigern.

Gratulation Herr Eick. Besser kann man von den nackten Tatsachen wirklich nicht ablenken. Am Ende des Tages allerdings wird man dem ausgezogenen nackten Mann womöglich nicht mehr in die Tasche greifen können.

Übrigens stimmt noch nicht einmal das "wachsen" - denn die Bilanzsumme schrumpft seit Jahren. Auch in diesem Jahr um sieben Prozent.

Weiter mit Teil II.

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