Schlecht informiert
Wie ein Teil der veröffentlichten Meinung verkürzt auch dieser Kommentar die Ereignisse um die Telekom-Privatisierung, deren Opfer unter anderem, aber bei weitem nicht nur die Kleinaktionäre geworden sind, auf das normale Risiko des Erwerbs von Aktien: Nach dem Motto, wer Milliarden verzockt ist selber schuld. Das ist falsch.
Zitat des Tages Klägeranwalt Tilp: "Herr Sommer, können sie uns sagen, ob sie im Zusammenhang mit dem Erwerb von Voicestream mittelbar oder unmittelbar Zuwendungen erhalten haben?" Ron Sommer: "Die Anwort ist natürlich: Nein. Und ich halte ihre Frage, gelinde gesagt, für eine Frechheit" zitiert nach Handelsblatt.com |
Was ist der Hintergrund von Rechtsanwalt Tilps Frage? Für Voicestream,
das zu diesem Zeitpunkt ein kleines US-Startup war, wurden
unvorstellbar viele, nämlich 34 Milliarden Euro durch Aktientausch
bezahlt, d.h. zu Lasten der Telekom-Aktionäre. Zum Vergleich: Die Telekom selbst ist heute an der Börse 4.340.442.552 x 11,11 = 48,2 Milliarden Euro wert. |
Denn es war nicht irgendwer, der die Aktien der Telekom angeboten hat. Es war der Staat, der demokratische Rechtsstaat. Der erschien den unerfahrenen Bürgern als besonders vertrauenswürdig, sie wurden verführt und eines Besseren belehrt. War nicht erklärtes politisches Ziel Vermögensbildung des Volkes auch durch dessen stärkere Teilhabe am Produktivkapital? Wie Wolfgang Philipp in seinem Büchlein "Die Telekom-Ballade" nachweist, wurden statt dessen insgesamt zwischen 57 und 70 Milliarden Euro von den Volksaktionären praktisch ohne Gegenleistung abgezockt. Banken und Broker dürfen Unerfahrene nicht zu riskanten Geschäften verleiten. Mußte da der Normalbürger beim Staat damit rechnen?
Ron Sommer war dazu vor allem das Werkzeug der Regierenden.
Man zweifelt, ob die sich der Konsequenz ihrer Handlungen dabei selbst immer bewußt waren. Das Ergebnis ist freilich katastrophal. Weil diese Katastrophe nach sieben Jahren immer noch nicht politisch aufgearbeitet wurde, hoffen die Aktionäre auf die Justiz. Ob diese die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen kann, bleibt jedoch fraglich.
Denn der eigentliche Kern des Skandals
kann dort gar nicht richtig verhandelt werden: So wie die Privatisierungsgesetze
vermutlich mit voller Absicht gestrickt wurden (z.B. keine unabhängige
Gründungsprüfung der Deutschen Telekom AG), haben die Volksaktionäre wenig Chancen.
Deshalb geht es auch rechtlich nur um die Frage, ob diese rechtzeitig
und umfassend informiert wurden. Aber der Prozess kann wenigstens der
Klärung der moralischen Verantwortlichkeiten dienen und so vielleicht
für eine bessere Zukunft wirken.
Inhaltspezifische Aktionen