Vom Saulus zum Paulus?

Ist es nur die bevorstehende Bundestagswahl, oder ist Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen, tatsächlich vom Saulus zum Paulus geworden? Bei der Lektüre seiner Regierungserklärung vom vergangenen Donnerstag kann man fast zu dem Schluß kommen.

Am vergangenen Donnerstag debattierte nämlich der Deutsche Bundestag über die Finanzkrise, und der Bundesfinanzminister gab die Regierungserklärung dazu ab. Regierungserklärung des Bundesfinanzministers

Alle sind sich plötzlich einig, dass Finanzmärkte, die vollständig sich selbst überlassen sind, vom Übel sind - und schließlich war das ja auch schon auf dem mittelalterlichen Marktplatz so: Auch dort mußte man bestimmte Regeln einhalten, die von der jeweiligen Obrigkeit überwacht wurden. Denn nur so kann das Funktionieren von Märkten auf Dauer sichergestellt werden. Eigentlich keine neue Erkenntnis: Auch die Demokratie funktioniert ja nicht ohne Rechtsstaatlichkeit. Und die wiederum muss von der Justiz überwacht werden. Man hätte es also wissen können ... man hätte. Einer wie der grundsolide Heinrich Haasis, lanjähriger CDU-Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg und heute Sparkassen-Präsident, hatte auch die eigenen Parteifreunde rechtzeitig gewarnt.



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Tatsächlich aber trägt Steinbrück (SPD) ein erhebliches Maß an Mitschuld an den Vorgängen. Nicht nur hat sein Ministerium der hemmungslosen Verbriefung von Risiken in Wertpapieren auch in Deutschland politisch und per Gesetzgebung den Weg geebnet. Er hat auch gemeinsam mit dem Staatssekretär Caio Koch-Weser des Amtsvorgängers Hans Eichel (SPD) samt seiner Ministerialen in seinem kurzen Zwischenspiel als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen gegenüber der EU-Kommission die Aufgabe der Gewährsträgerhaftung der staatlichen Banken erklärt. Wer im Lichte der jetzigen globalen Finanzkrise nicht erkennt, dass es da wohl einen Zusammenhang geben muss, wenn Caio Koch-Weser heute Vorstandsmitglied der Deutschen Bank ohne Geschäftsbereich ist, dem ist nun gar nicht mehr zu helfen.
Denn es war genau dieses Verbriefungsgeschäft, das den Landesbanken dann von der Deutschen Bank und anderen als Ersatz für ihr verloren geganges Geschäftsmodell, das auf der staatlichen Gewährsträgerhaftung beruhte, mit Hilfe seines Staatssekretär-Nachfolgers Jörg Asmussen dort und darüberhinaus auch der IKB angedient wurde. Dieses Modell hat zu den riesigen Verlustpotenzialen bei den Landesbanken geführt, die schon ohne die Pleite von Lehman Bros. in New York auf 90 Milliarden Euro (ohne IKB) geschätzt wurden.

Außerdem ist Steinbrück natürlich für die katastrophale zirkuläre Verantwortungskette bei der Aufsicht von IKB und KfW verantwortlich, und er führt die Menschen gezielt in die Irre, wenn er nur von etwas über einer Milliarde Gelder aus dem Bundeshaushalt für die IKB spricht - tatsächlich waren es nach Presseberichten mindestens 10,5 Milliarden, die zwar nicht direkt aus dem Bundeshalt, aber dennoch aus dem Bund mittelbar zuzurechnendem Vermögen der KfW bezahlt bzw. garantiert wurden.

Es lohnt sich durchaus, sich die Reden der Debattenteilnehmer einmal durchzulesen. Ob man Oskar Lafontaine und seinen Charakter mag oder nicht, jedenfalls hat er mit seiner Analyse der Lage in vielen Dingen nicht unrecht, was indirekt sowohl Steinbrück als auch die übrigen Redner inhaltlich einräumen. Er spricht in der Debatte über die Regierungserklärung anstelle der Finanzkrise von einer Krise der geistigen und moralischen Orientierung der westlichen Industriegesellschaften. Dazu gibt es ja auch in diesem Blog mehr als genug Anschauungsmaterial.

Bildnachweis: Deutscher Bundestag, Ute Grabowsky, photothek.net
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