Warum denn in die Ferne schweifen?

Sieh das Gute liegt so nah. Dass angeblich 43000 Stellen für IT-Spezialisten nicht besetzt werden können, ist ein in Deutschland hausgemachtes Problem, das im Grunde so gar nicht existieren müßte.

Wer die Äußerungen des BITKOM-Verbandes liest, muss sich die Frage stellen, wie die von BITKOM ermittelten 43000 unbesetzbaren Stellen für IT-Spezialisten zustande kommen. Wo liegen die tieferen Ursachen?

Für die Nichtbesetzung gibt es eine Fülle Deutschlandhausgemachter Probleme:

  • Viele IT-ler sind es leid, in Umgebungen zu arbeiten, in denen fachlicher Rat geringgeschätzt und wo sie am Ende für unrealistische, von Nichtfachleuten oder vor allem bei Großprojekten durch Korruption und/oder Günstlingswirtschaft falsch gepolte Projekte den Schwarzen Peter zugeschoben bekommen. In der IT wie in allen Ingenieurwissenschaften wirkt sich dies besonder fatal aus, ja aufgrund der digitalen Natur von Software und ihrer außergewöhnlichen Komplexität in der Informatik sogar noch stärker, so dass viele Projekte scheitern. Nicht funktionierende digitale Systeme aber lassen sich nur schwer schönreden, denn oft gilt: Sie funktionieren - oder eben nicht.Toll Collect und andere lassen grüßen.
  • Die ITler, die oft eher introvertiert und kooperativ-arglos veranlagt sind, weil sie in Ausbildung oder Studium gelernt haben, dass zur schwierigen Problemlösung auf ihrem Niveau echte Zusammenarbeit überlebenswichtig ist, werden besonders leicht Opfer des derzeit verbreiteten lean brain managements sich überlegen wähnender Betriebswirte - im Zweifel oft noch nicht einmal richtig ausgebildeter Betriebswirte - da sie ihm bzw. deren "Management-by-große-Klappe" verbal oft keinen Widerstand entgegensetzen, sondern dann woanders hingehen, bevor sie zum x-ten Male outgesourced werden.
  • Zahllose arbeitlose Ingenieure und Informatiker, die ohne weiteres Aufgaben übernehmen und Stellen besetzen könnten, werden erst gar nicht in Betracht gezogen, und zwar aus drei Gründen:
    • ältere Berufserfahrene werden im "Wild-West auf der Chefetage" als Bedrohung wahrgenommen;
    • Man würde lieber einen jungen möglichst preiswerten Fachmann/frau mit der Spezial-Spezial-Spezialqualifikation einstellen, übersieht dabei aber völlig, dass ältere fundiert ausgebildete Fachkräfte nach ziemlich kurzer Einarbeitung in das Spezial-Spezial-Thema dieses wahrscheinlich aufgrund ihres Hintergrundes sogar mittelfristig noch besser bearbeiten würden, als der oftmals auf diese Spezial-Spezial-Qualifikation reduzierte "Fachidiot". Der freilich mag in der Tat einer der 43000 fehlenden IT-Spezialisten sein. Auch hier zeigt sich also wieder das lean brain management mit seinen fatalen Auswirkungen in 100% originaler Ausprägung;
    • Man möchte am liebsten gar nichts bezahlen und sucht bevorzugt den ewigen Praktikanten, willig und ohne Widerworte, ersatzweise den ausländischen Arbeitnehmer, der als Ausländer in Deutschland im besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Firma steht.
  • Eine ganze Reihe ehemaliger IT-Arbeitnehmer mit Staatsexamen strebt jetzt doch noch in den Schuldienst, um den chaotisch-unsicheren Verhältnissen auf dem freien Arbeitsmarkt zu entfliehen, waren sie doch Sicherheit gewohnt. Auch sie stehen den Firmen nicht mehr zur Verfügung.
  • Eine beträchtliche Anzahl IT-Arbeitnehmer schließlich wandert dorthin aus, wo man sie (nicht notwendigerweise, aber auch materiell) besser behandelt, und zwar je höher qualifiziert, desto wahrscheinlicher. Schon die Schweiz und Österreich oder auch die Benelux-Staaten bieten oft angenehmere Bedingungen, es muß noch nicht einmal UK, Kanada, die USA oder Asien sein. Im kanadischen Zoll geben sich ohnehin die deutschen Einwanderer die Klinke in die Hand.

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