Gehaltsabsenkung für Telekom Kundenservice vor dem BAG gefloppt

Im Frühjahr 2007 wurden anläßlich der Ausgliederung der Kundendienstbereiche der Deutschen Telekom AG in Tochtergesellschaften mit schlechterer Vergütung heftige Tarif-Auseinandersetzungen mit Ver.di geführt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun für die nicht gewerkschaftsangehörigen ehemaligen AG-Mitarbeiter diese Absenkungen für rechtswidrig erklärt.

Denn anders als für Gewerkschaftsmitglieder , deren Arbeitsbedingungen bei Vorliegen eines Tarifvertrages mit den Töchterunternehmen nach § 3 Tarifvertragsgesetz direkt und unmittelbar durch Tarifvertrag geregelt sind, gilt für die nicht-tarifgebundenen die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auf den Tarifvertrag. Und die kann sich nach Auffassung des BAG nicht auf eine erst viel später gegründete Tochtergesellschaft beziehen, sondern nur auf den Telekom-Tarifvertrag des ursprünglich vertragsschliessenden Mutterunternehmens.

Ironischerweise führt das dazu, dass die Telekom den ehemaligen Telekom-beschäftigten Nichtgewerkschaftsmitgliedern die Löhne nach dem besseren, alten Telekom-Tarifvertrag zahlen muss, die Gewerkschaftsmitglieder aber, soweit keine Besitzstandswahrung erreicht wurde, schlechter gestellt werden.

Noch größer dürfte das arbeitsrechtliche Chaos bei der Telekom durch den zwischenzeitlich zum 1.4.2010 erfolgten Betriebsübergang der Deutsche Telekom AG Geschäftsbereiche T-HOME in die T-Mobile (bei anschließender Umbenennung in Deutsche Telekom Deutschland GmbH) sein, der nochmal eine weitere Komplexitätsstufe bringt. Jedenfalls gilt wohl auch für diesen Übergang, dass sich die einzelarbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln nicht ohne weiteres auf einen Tarifvertrag bei einer zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses nicht vorhandenen Tochter beziehen können; vielmehr dürften sie sich auch weiter auf den alten Tarifvertrag bei der Deutschen Telekom AG beziehen.

Es ist zu vermuten, dass die seit 2007 solcherart leichtfertig vorgenommenen Umstrukturierungen der Deutschen Telekom AG - weitere sind geplant - ein gigantisches Arbeitsbeschaffungsprogramm für einschlägige Anwälte und ihre Gegenspieler im Personalbereich der Telekom darstellt, das Unsummen kostet.

Hier die Pressemitteilung Nr. 56/11 des Bundesarbeitsgerichtes im Wortlaut:

 

Sachliche Reichweite einer vertraglichen Bezugnahmeklausel

Eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel, die auf die "Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost" und die sonstigen für sie geltenden Tarifverträge in der jeweiligen Fassung verweist, erfasst zwar zumindest im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG, die dann auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Die Bezugnahmeklausel kann aber nach ihrem Inhalt nicht dahingehend - erweiternd - ausgelegt werden, dass auch die Haustarifverträge von Tochterunternehmen erfasst werden, die die Deutsche Telekom AG lange Zeit nach Arbeitsvertragsschluss gegründet hat.

Der nicht tarifgebundene Kläger war seit dem Jahre 1980 zunächst bei der Deutschen Bundespost und seit Umwandlung der Deutschen Bundespost in Aktiengesellschaften zum 1. Januar 1995 bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis fanden kraft arbeitsvertraglicher Verweisung die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost Anwendung. Nach der Aufspaltung der Deutschen Bundespost wurden im Arbeitsverhältnis die unter Beteiligung seiner neuen Arbeitgeberin, der Deutschen Telekom AG, geschlossenen Tarifverträge angewendet. Im Jahre 2007 gründete die Deutsche Telekom drei Gesellschaften, darunter u. a. die Beklagte. Auf diese ging das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege des Betriebsteilübergangs über. Die Beklagte wendet seither die von ihr geschlossenen Haustarifverträge auf das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis an. Der Kläger will festgestellt wissen, dass die tariflichen Regelungen der Deutschen Telekom AG mit dem Regelungsbestand zum Zeitpunkt des Betriebsteilübergangs für sein Arbeitsverhältnis maßgebend sind.

Die Klage war vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolgreich. Die vertragliche Bezugnahmeklausel erfasste jedenfalls im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG, die im Wege der Tarifsukzession die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost ersetzten. Hinsichtlich der Beklagten war eine solche Tarifsukzession unter Ablösung der bei der Deutschen Telekom AG geltenden Tarifverträge aber nicht gegeben. Es fehlte auch unter Berücksichtigung der Tarifanwendung bis zum Betriebsübergang auf die Beklagte an besonderen Umständen, die es erlaubt hätten, die Bezugnahmeklausel als sog. Tarifwechselklausel auszulegen. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Umstand, dass es sich bei der Bezugnahmeklausel um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Senatsrechtsprechung handelt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 6. August 2009 - 7 Sa 1674/08 -


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