"Die Bilanztrickser"

Fast fünf Jahre ist es her, dass Christof Schürmann, einschlägig qualifizierter Wirtschaftsredakteur, das Buch "Die Bilanztrickser" geschrieben hat. Gerne wird auch als Negativbeispiel die Bilanz der Deutschen Telekom AG analysiert. Wer den letzten Zwischenbericht der Deutschen Telekom AG anschaut, muss zu dem Schluß kommen, dass sich seitdem nichts Wesentliches verändert hat. Kein Wunder, denn die fundamentalen Probleme werden gar nicht in Angriff genommen. Denn dazu bedarf es der Mitwirkung der Politik.

Es ist, als wäre die Zeit stehen geblieben. Die jüngsten Zahlen der Deutschen Telekom AG sind - gewissermassen - business as usual. Denn schon in Schürmanns Buch heißt es [S. 193] zur Blianz 2002 des Unternehmens:

Deutsche Telekom - Scheinriese auf Schrumpfkurs

Stellen Sie sich vor, Ihr Nachbar fragt Sie, was Sie denn am Monatsende noch so in der Tasche haben. Und Sie antworten: "5000 Euro". "5000 Euro?", fragt Ihr Nachbar ungläubig zurück. Sie erklären: "Naja, 5000 Euro, bevor ich Steuern und Sozialabgaben, Miete, die Raten für das Auto und Sprit bezahlt habe." "Aha", gibt Ihr Nachbar zurück, "und danach?" "Nun, das abgezogen, mache ich jeden Monat 250 Euro Schulden." So ähnlich läuft das Spiel bei vielen Unternehmen, wenn sie ihre Ergebnisse präsentieren. Wichtigster Vorreiter in Deutschland ist dabei die Deutsche Telekom. ... Der Öffentlichkeit wird aber zunächst werbeträchtig ein fetter Gewinn gezeigt - ein EBITDA *), über das sich die Telekom am liebsten selbst darstellt. ... Dieses EBITDA war von der Telekom noch einmal extra "bereinigt", worden. Zur Sicherheit sozusagen, damit der Anleger auch den richtigen Gewinn erkennt.

An dieser bewußt irreführenden Darstellung hat sich also in fünf Jahren heftiger internationaler wie deutscher Diskussion über Corporate Governance **) gar nichts geändert. Es verwundert andererseits nicht, dass sich nichts geändert hat:

  • Diejenigen, die im Windschatten des gefallenen T-Sonnenkönigs Ron Sommer um jeden Preis Karriere gemacht haben, leiten das Unternehmen noch immer und kassieren dabei kräftig ab. Von ihnen ist daher kein Impuls zur Veränderung zur erwarten. Auf Louis XIV folgte Louis XV folgte Louis XVI folgte... Was dann folgen wird, wissen wir nicht. Der kundige Leser erkennt schon, dass es eine gefährliche Abfolge ist, denn in Frankreich folgte 1789 auf Louis XVI die französische Revolution... auch deren Themen so seltsam vertraut: Liberte, Egalite, Fraternite.
  • Die Kreise des Bundesfinanzministeriums und der Politik, die für die Telekom-Ballade verantwortlich sind, sind auch immer noch die gleichen - dank der Großen Koalition ist die "Kontinuität" der Trickser auch im Finanzministerium gewährleistet, hat also auch der Regierungswechsel keinen Fortschritt gebracht. Diese Trickerserei erstreckt sich übrigens nicht nur auf die Privatisierungspolitik und Beteiligungsverwaltung des Bundes, sondern auch auf die Steuerpolitik, die regelmäßig an der Verfassungswidrigkeit entlangschrammt. Normal ist das doch nicht! Ironischerweise sorgt sich die gleiche Bundesregierung eigentlich um die Corporate Governance, was man ihr grundsätzlich auch abnehmen mag. Als weiterhin bestimmender Aktionär der Deutschen Telekom AG nimmt sie jedoch zugleich diese unethische Art der Finanzberichterstattung billigend in Kauf.

Ein Staat, der seine Bürger von A bis Z vertrickst - das führt auf Dauer in den Abgrund. Wir brauchen Aufrichtigkeit im Umgang zwischen Politikern und Bürgern - in beide Richtungen - und auch in den Unternehmen, erst recht, wenn sie halbstaatlich oder ganz staatlich sind. Schöne Grüße auch an die Deutsche Bahn.

Das tiefe Mißtrauen, was solche Politik sät und zugleich erntet, zeigt sich übrigens auch in der Telekommunikationsüberwachung und im Jahressteuergesetz 2008: Die Politik hat Angst vor den Bürgern, will sie überwachen, und erzeugt damit Angst und berechtigterweise ein noch umso größeres Mißtrauen. So darf es in Deutschland nicht weitergehen. Diese hochgefährliche Spirale muss die Politik stoppen - die Bürger können es nicht, es sei denn, sie würden sich zu neuen politischen Gruppierungen zusammenfinden. Bis die aber politische Macht gewinnen, kann es für unser Gemeinwesen zu spät sein. Und ob sie dann überhaupt in der Lage wären, die neugewonnene Macht sinnvoll einzusetzen, ist die zweite Frage. Besser wäre es, die bestehenden Parteien würden beherzt handeln - an deren Basis bis hin zum Bundesratspräsidenten gibt es ja durchaus einschlägige Diskussionen.

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*) EBITDA - engl. für "earnings before interest, taxes, depreciation and amortisation", also das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen

**) Grundsätze der angemessenen und effektiven, aber auch ethischen Unternehmensführung

Buchempfehlung: Christof Schürmann, Die Bilanztrickser, Eichborn-Verlag Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-8218-3995-3

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