"Eliten"

Die Bertelsmann-Konzernpublikationen Capital und Financial Times Deutschland (FTD) lassen die "Eliten" unseres Landes ihrer Verzweiflung über schwarz-gelb Ausdruck geben.

Nun muss man ja nicht Teil der Bertelsmann-"Elite" sein, um mit Schwarz-Gelb extrem unzufrieden zu sein. Aber es lohnt sich doch einmal, diese Art der offensichtlich gezielten Meinungsmache zu hinterfragen, die der von der angeblich gemeinnützigen1 Bertelsmann-Stiftung beherrschte Konzern Bertelsmann AG über die von ihm seinerseits beherrschte Gruner + Jahr2 hier betreibt:

Elite verzweifelt an Schwarz-Gelb

Von Claudio De Luca, Berlin
Financial Times Deutschland, 16.06.2010

92 Prozent der Entscheider enttäuscht von der Koalition Die Bundesregierung ist bei Deutschlands Elite unten durch: 92 Prozent der Führungskräfte aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung sind von Schwarz-Gelb enttäuscht, zeigt eine repräsentative Umfrage des Allensbach-Instituts für das Wirtschaftsmagazin Capital.

Und was versteht die FTD unter "Elite"?

530 Befragten – darunter 79 Vorstände von Großkonzernen und 21 Minister und Ministerpräsidenten – halten die Regierung für zu schwach, um die anstehenden Probleme zu meistern. So niedrig waren die Werte zuletzt in der Endphase von Rot-Grün 2004.

Wollen einer angeblichen, falschen "Elite" soll Mehrheitswillen ersetzen

Ursrpünglich war mit dem Begriff der Elite, vom lateinischen "electus" - ausgelesen, ausgewählt - die Vorstellung einer positiven gesellschaftlichen Auswahl verbunden. So war zu Zeiten der Französischen Revolution élite, wer sich seine gesellschaftliche Position durch seine eigenen Fähigkeiten, und nicht durch Geburt oder Standeszugehörigkeit erworben hatte. Auch einer wirklichen sozialen Marktwirtschaft liegt u.a. die Idee zugrunde, dass die eigenen Fähigkeiten den eigenen wirtschaftlichen Erfolg bestimmen sollen.

Auf die "Elite" der FTD dürfte dies kaum noch zutreffen. Denn in den letzten zwanzig Jahren werden gesellschaftliche Führungspositionen kaum noch nach Fähigkeit, sondern nach Machtgefüge, vor allem bestehend aus wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten und dahinterstehenden Netzwerken besetzt. Die Bertelsmann-Stiftung selbst ist das beste Beispiel dafür. Die dem ausserordentlich fähigen Gründer Reinhard Mohn nachfolgenden Funktionsträger verdanken ihre jetzigen Positionen z.B. ihrer Familienmitgliedschaft oder Verbundenheit mit der Familie Mohn, kaum aber ihrer Leistungsfähigkeit. So ist es aber nicht nur bei der Bertelsmann-Stiftung, sondern in ganz vielen Bereichen in Deutschland. Daher besitzt die von der FTD bejubelte "Elite" - von den gewählten Ministerpräsidenten einmal abgesehen - Null Legitimation.

Welche konkrete politische Botschaft wird transportiert?


53 Prozent der Befragten glauben nicht, dass die Bundesregierung die gesetzlich verankerte Schuldenbremse einhalten wird. Die Entscheider wünschen sich ehrgeizigere Sparvorschläge. So sollen Steuervorteile bei Schicht- und Nachtarbeit gestrichen (86 Prozent), der ermäßigte Satz bei der Mehrwertsteuer abgeschafft (80 Prozent) und der Spitzensteuersatz angehoben werden (66 Prozent). Zustimmung erhält die Bundesregierung lediglich für ihren Kurs in der Griechenland-Krise. Die große Mehrheit unterstützt die lange herausgezögerte Zustimmung zum 750-Mrd.-Euro-Rettungspaket für pleitegefährdete Euro-Staaten.
Die nicht legitimierte "Elite" wird nun benutzt, um die unzufriedene Stimmung in der Bevölkerung umzudrehen - seht her, auch die "Elite" ist unzufrieden mit Bundesregierung. Nur werden gleichzeitig völlig andere Ziele untergejubelt, als sie dem mutmasslichen Mehrheitswillen des Volkes entsprechen - dem Rettungspaket für Griechenland etwa wird zugestimmt, eine unsoziale Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel gefordert und die weitere Besteuerung von Arbeit. Dabei werden Kapitaleinkünfte mit maximal 25% in der Spitze längst viel niedriger als Arbeitseinkommen besteuert.

Die hirnrissige, weil am Symptom statt an den Ursachen anknüpfende gesetzliche Schuldenbremse wird als Vehikel zum politischen Nutzen für die eigene Klientel genutzt. Darüber, ob die "Elite" findet, dass die Verantwortlichen der Finanzkrise endlich die von ihnen verursachten volkswirtschaftlichen Kosten tragen sollen, fällt kein Wort.

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1) Die Bertelsmann-Stiftung betreibt - vom Land Niedersachen als gemeinnützig anerkannt - unentgeltliche Politik-Beratung, ist jedoch gleichzeitig über den von ihr beherrschten Konzern Bertelsmann AG über deren Tochter Arvato AG mit massiven wirtschaftlichen Interessen in der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen aktiv. Gleichzeitg gehört ihr über Gruner + Jahr ein Großteil der (Wirtschafts-) Presse (z.B. Capital, Impulse,  FTD, 25% +1 Beteiligung am SPIEGEL, knapp unter 25% am Manager Magazin).

2) bezeichnenderweise inzwischen in der haftungsarmen, wenig Vertrauen erweckenden Rechtsform der AG & Co KG

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