Geistig-moralische Tiefflieger
Dümmlicher hätte sie kaum sein können, die Antwort der Bundesregierung (des Bundesfinanzministeriums, BMF) auf die Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag: "Der Bund nimmt keinen Einfluß auf Telekom-Geschäftspolitik". Schon ein Blick ins Aktiengesetz hätte eines Besseren belehren können - aber Gesetze sind dem BMF, dem Staat im Staate, ohnehin eher lästig, von der Verfassung ganz zu schweigen.
Die dreiste Lüge ...
Diese Aussage, seit Beginn der Post und Telekom Privatisierungspolitik vor 15 Jahren immer wieder stereotyp gleichsam als - neoliberales? - Glaubensbekenntnis wiederholt, wird durch ihre ständige Wiederholung auch nicht in Ansätzen richtiger. Wenn die handelnden Akteure nicht derart verblendet wären, könnte man es auch als glatte Lüge bezeichnen. Zwar ist richtig, dass dieser Glaubenssatz vor allem dazu dient, Parlamentarier ruhig zu stellen, die sich dann doch immer mal wieder daran erinnern, dass mit dem (öffentlichen) Eigentum auch Pflichten des Eigentümers einhergehen.
... wird vom Aktiengesetz widerlegt.
Dass dieser Glaubenssatz schlicht eine Lüge ist, hätte den Asmussens und Steinbrücks dieser Welt schon ein Blick ins Gesetz gezeigt, hat doch der Gesetzgeber sogar ins Aktiengesetz hineingeschrieben, dass "von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen ... vermutet [wird], daß es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist [§ 17 Abs. 2 AktG]. Ausserdem beschreibt der Gesetzgeber die Situation treffend im ersten Absatz des gleichen Paragraphen: "Abhängige Unternehmen sind rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben kann." Treffender hätte der Gesetzgeber die Lebenswirklichkeit in Konzernen nicht beschreiben können - und warum soll das bei Konzernen, in denen der Staat herrschender Aktionär ist, anders sein? Diese Meinung vertreten auch die höchsten Gerichte und herrschende Meinung der Rechtslehre.
Der Staat als herrschendes Unternehmen
Und seit dem Ende des Bundespostministers hat diese also auch vom Staat wahrnehmbare Funktion des "herrschenden Unternehmens" bei der Telekom der Bundesfinanzminister inne und hat in mannigfaltigerweise diese Macht immer wieder fleißig genutzt und mißbraucht. Zwar hat der Bund inzwischen keine Aktienmehrheit mehr, er bestimmt jedoch faktisch weiterhin die Mehrheit auf den Hauptversammlungen der Telekom AG und hat immer wieder mit seinem Stimmrecht knallhart verhindert, dass betrogene Kleinaktionäre einschlägige Beschlüsse zur Aufklärung der dubiosen Verhältnisse durchsetzen konnten. Diese de-facto Herrschaft in einer Aktiengesellschaft ist übrigens ebenfalls von der Rechtsprechung anerkannt. Aber Rechtsstaatlichkeit kümmert das Bundesfinanzministerium bekanntlich weniger - es geht stets ums Abgreifen von Kohle und um das Platzieren von politischen Weggefährten in lukrative und machtsichernde Positionen - Jörg Asmussen (SPD) und Schröders Ex-Staatsminister Hans-Martin Bury (SPD) heute (Ex?-) Investmentbanker bei der New Yorker Investment-Pleitebank Lehmann Brothers im Aufsichtsrat der Deutschen Telekom, das spricht schon allein Bände. Übrigens: Ist es Zufall, dass die staatliche KfW gerade an diese Bank noch in der Pleite Geld überwiesen hat? Diese Frage wird angeblich die Staatsanwaltschaft klären - hoffen wir, dass sie dafür den Mut zur Unabhängigkeit aufbringen kann.
Ausplünderung als "Geschäftspolitik"
Ja, in der Tat, der Bund nimmt keinen Einfluß auf die Geschäftspolitik der Deutschen Telekom AG - er plündert sie nur mit Hilfe von Milliardenpleitiers aus. Und das ist ja wirklich nichts, was man vernünftigerweise als "Geschäftspolitik" bezeichnen könnte. Wahrscheinlich ist das gemeint, wenn die Bundesregierung behauptet, "der Bund nimmt keinen Einfluß auf Telekom Geschäftspolitik".
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