Telekom-HV: Alles schon 2003 gesagt

Aus Anlaß der heutigen Hauptversammlung der Deutschen Telekom AG am 12. Mai 2011 in Köln dokumentieren wir erneut die Rede des Rechtsanwalts und Aktienrechtlers Dr. Wolfgang Philipp auf der Hauptversammlung im Jahre 2003.

Aus Anlaß der heutigen Hauptversammlung der Deutschen Telekom AG in Köln am 12. Mai 2011 dokumentieren wir erneut die Rede des Rechtsanwalts und Aktienrechtlers Dr. Wolfgang Philipp, Autor der Telekom-Ballade, auf der Hauptversammlung der Deutschen Telekom vom 20. Mai 2003, mit dessen freundlicher Genehmigung. Die Rede ist nach wie vor brandaktuell und beleuchtet die mutmasslich kriminellen Hintergründe des Voicestream/T-Mobile USA Deals, denn alle Vorhersagen von Wolfgang Philipp sind inzwischen eingetroffen - und die Feststellungen aus dem Jahr 2003 kann man getrost auf die heutige Situation anwenden. Dies kann kaum überraschen, denn, wie er richtig sagte, kann ein Unternehmen nicht von den Kreisen aufgeräumt werden, die diese Situation verschuldet haben - und das sind immer noch dieselben Kreise. Seine Hoffnung auf Klaus Zumwinkel als Aufräumer erwies sich freilich als trügerisch - er war entweder von Anfang an, oder wurde später perfekter Teil des Systems.


Meine sehr verehrten Damen und Herren,

wie schon im vergangenen Jahr möchte ich mich kurz vorstellen: Ich bin Kleinaktionär der Deutsche Telekom AG. Ich war früher Syndikus von mehreren großen deutschen Aktiengesellschaften und arbeite jetzt als freier Rechtsanwalt in Mannheim u.a. mit einem Schwerpunkt im Aktienrecht.

Bevor ich meine eingereichten Gegenanträge begründe, zwei Vorbemerkungen an die Verwaltung und den Großaktionär.

1. Im vergangenen Jahr habe ich dem Verwaltungsvorschlag, trotz eines Konzernverlustes von 3,4 Mrd. Euro und der hohen Verschuldung eine Dividende auszuschütten, widersprochen. Ich konnte allerdings gegen die Stimmenmacht des ausschließlich seine Haushaltsinteressen gegen das Unternehmensinteresse verfolgenden Großaktionärs nichts ausrichten, obwohl viele Kleinaktionäre auf meinen Vorschlag positiv reagierten.

Nachdem sich der Konzernverlust dieses Mal mit 24 Milliarden Euro versiebenfacht hat, begrüße ich es, dass die Verwaltung meinen damaligen Vorschlag wenigstens jetzt aufgegriffen hat. Ich frage mich nur, warum gebotene logische Denkvorgänge bei Vorständen, Aufsichtsräten, Staatsbeamten und Ministern ein Jahr länger dauern als bei unternehmerisch denkenden Kleinaktionären, denen jetzt immerhin dieses Unternehmen mehrheitlich gehört.

2. Ich habe im vergangenen Jahr hier dargelegt, dass der Beteiligungsansatz für die US-Firma VoiceStream mit rund 34 Milliarden Euro weit übersetzt ist. In einem Interview mit dem SPIEGEL im August 2002 habe ich die Überbewertung mit mindestens 20 Milliarden Euro angegeben. Der Vorstand ließ den "Spiegel" wissen, Philipps Ansicht sei - so wörtlich gedruckt - "blanker Unsinn, die Notwendigkeit einer Sonderabschreibung gebe es nicht".

Das war im August. Ende September gab der Vorstand bekannt, auf VoiceStream bzw. die US-Lizenzen werde eine Sonderabschreibung von 18 Milliarden Euro vorgenommen. Gleichzeitig hieß es, VoiceStream entwickle sich besser als erwartet. Wenn selbst bei einer solchen Aussage Sonderabschreibungen erforderlich werden, ist bewiesen, dass der Kaufpreis viel zu hoch war.

Für die damals nach USA gegangenen rund 1 Milliarde Stück junger Telekom-Aktien ist mindestens in Höhe von 18 Milliarde Euro kein Gegenwert an unser Unternehmen geflossen, die Aktien sind vom Vorstand buchstäblich an die Amerikaner verschenkt worden. Das sieht man auch an den neuesten Zahlen der T-Mobile USA per 31.12.2002. Einem Umsatz von 5 Milliarden Dollar steht ein dreimal so hoher "operating loss", also ein Verlust, von 16,4 Milliarden Dollar gegenüber. Das ausgewiesene shareholder equity, also das Eigenkapital, fiel von 25,3 auf noch 8,7 Milliarden Dollar.

Dem stehen auf der Aktivseite immaterielle Vermögenswerte von fast 20 Milliarden Euro gegenüber. Außerdem weist die Bilanz Gesellschafterdarlehen der Deutsche Telekom in Höhe von inzwischen 7 Milliarden Dollar aus, die verzinst und amortisiert werden müssen. Mit einer Verzinsung des für den Erwerb von VoiceStream hingegebenen Kaufpreises im Wert von damals rund 34 Milliarden Euro ist in irgendeiner absehbaren Zukunft nicht zu rechnen.

Damit ist bewiesen, dass alle Aktionäre durch Kapitalverwässerung in zivil- und strafrechtlich relevanter Weise schwer geschädigt worden sind. Für das Prädikat "blanker Unsinn" wäre vielleicht doch eine Entschuldigung fällig. So geht man als Vorstand mit Eigentümern des Unternehmens nicht um.

Vorab habe ich noch zwei Fragen an den Vorstand.

a) Einige Anwaltskanzleien arbeiten an Klagen gegen die Deutsche Telekom, um sie aus einer Prospekthaftung im Zusammenhang mit dem Verkauf von 230 Millionen Telekomaktien im Sommer 2000 aus dem Besitz der Bundes in Anspruch zu nehmen. Um diese Transaktion vorzubereiten, gab die Deutsche Telekom einen "Verkaufsprospekt" heraus. Darin übernahm sie eine weitgehende Prospekthaftung, obwohl die ganze Veranstaltung überhaupt nicht dem Interesse der Deutschen Telekom diente.

Mit der Ausarbeitung des aufwendigen Prospekts und der Übernahme einer riskanten Haftung hat die Deutsche Telekom ausschließlich Interessen des Großaktionärs verfolgt. Meine Frage geht dahin, ob die Deutsche Telekom AG für diese Leistung eine Gegenleistung im Sinne des Konzernrechts (§ 311 AktG) von dem damaligen Mehrheitsaktionär erhalten hat und ob er sie im Innenverhältnis von der Prospekthaftung freigestellt hat.

b) Warum wird der Barwert gesetzlicher Zahlungsverpflichtungen der Deutsche Telekom gegenüber ihrer Unterstützungskasse mit 9 Milliarden Euo nicht in der Bilanz passiviert, sondern nur außerhalb der Bilanz vermerkt? Handelt es sich dabei wirtschaftlich um einen Passivposten oder nicht? Die Position ist fast so hoch wie das Grundkapital der Deutsche Telekom.

Mit meinen ankündigten Gegenanträgen wende ich mich gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie gegen die Wiederwahl der Abschlussprüfer.

1. Ich habe dort dargelegt, dass bei der Gründung der DTAG zum 01.01.1995 die vom Bund eingebrachten Grundstücke überbewertet worden sind. Die Bewertung der Sacheinlage führte bei der Gründung der Deutsche Telekom AG zum Ausweis einer Kapitalrücklage aus dem Agio in Höhe von 5,8 Milliarden Euro. Die Überbewertung hat die Verwaltung dadurch eingestanden, dass sie in den Jahren 2000 und 2001 rund 2,8 Milliarden Euro im Wege einer "pauschalen Wertberichtigung" auf diese Grundstücke wieder abgeschrieben und damit zu Lasten aller Aktionäre einen entsprechenden Verlustposten erzeugt hat. Das ist mehr als ein Viertel der gesamten Gründungs-Sacheinlage des Bundes.

Es ist offenbar, dass diese pauschale Wertberichtigung nicht auf nachweisbaren Werteverfall der einzelnen Objekte nach der Gründung, sondern auf die Korrektur einer früheren Einschätzung der damaligen Bundesregierung bei der Gründung zurückzuführen ist. Allein die spätere Absicht, mehr Grundstücke zu verkaufen, soll die Wertminderung herbeigeführt haben. Der Vorstand nennt das "Strategiewechsel". Seine Internetstellungnahme zu meinen Gegenanträgen ist nicht schlüssig: Es gibt nicht je nach "Strategie" zwei beliebig auswechselbare Verkehrswerte für dieselbe Sache. Der Bundesrechnungshof hat das alles geprüft. Der Bundesfinanzminister hat sich aber geweigert, die Prüfungsergebnisse der Staatsanwaltschaft zur Verfügung zu stellen.

Dies geschah mit der vielsagenden Begründung, das Bekanntwerden der Prüfungsergebnisse, also schlicht der Wahrheit würde "dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten" (§ 96 StPO). Daraus mag hier ein jeder seine Schlüsse ziehen.

Die Überbewertung muss aber nicht vorsätzlich geschehen sein. Nach dem Aktiengesetz ist der Bund als Gründer auch ohne Rücksicht auf Verschulden verpflichtet, bei Überbewertung seiner Sacheinlage die Differenz in bar nachzuschießen, weil sonst die auf Veranlassung des Bundes ausgewiesene Kapitalrücklage in der Gründungsbilanz viel zu hoch und die Bilanz damals objektiv falsch gewesen wäre.

Auf die Richtigkeit dieser Bilanzzahlen haben alle Verkehrsteilnehmer (Publikum, Banken, Kunden und andere) vertraut. Der Deutschen Telekom steht gegen den Bund ein entsprechender Anspruch zu, er ist von dem Vorstand geltend zu machen. Der Umstand, dass dies bisher nicht geschehen ist, stellt eine schwere Pflichtverletzung sowohl des Vorstandes als auch des Aufsichtsrats dar.

2. Nicht genug, dass der Bund seine Einlage zu mehr als einem Viertel schon bei der Gründung gar nicht erst gebracht hat. Den gesamten Rest seiner Sacheinlage und noch mehr hat er durch die UMTS-Versteigerung im August 2000 ohne angemessene Gegenleistung in bar wieder aus der Gesellschaft herausgezogen. Dass die von dem Bund als damaligen Mehrheitsgesellschafter gewährte UMTS-Lizenz auch nicht annähernd die dafür gezahlten 8 Milliarden Euro wert war, pfeifen die Spatzen nicht erst seit heute von den Dächern.

Das Telekommunikationsgesetz hätte zugelassen, die gleichen Lizenzen für 10 Millionen DM zu vergeben, außerdem dürfen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Lizenzgebühren für Telekommunikationslizenzen die anfallenden Verwaltungskosten nicht überschreiten. Das alles ist bisher rechtlich überhaupt noch nicht aufgearbeitet worden.

Die Einlassung des Vorstandes in seiner Internetstellungnahme, es habe sich bei den 8 Milliarden Euro um einen Wettbewerbspreis gehandelt, ist im Prinzip richtig, beseitigt aber das Rechtsproblem nicht. Der Vorwurf in dieser Sache richtet sich auch gar nicht gegen den Vorstand, sondern gegen den Bund. Dessen Bundesfinanzminister hat seine Staatshoheit missbraucht. Durch das gesetzlich nicht zwingend vorgeschriebene Versteigerungsverfahren hat er einen unglaublichen Druck auf die ganze Branche ausgeübt, um durch diese in der Wirtschaftsgeschichte einmalige Art der "Wirtschaftsförderung" seine eigenen Kassen zu füllen.

Auf diese Weise hat er seine gesamte Einlage aus der Telekom wieder herausgeholt. Zwei andere betroffene Wettbewerber sind an diesem Handeln des Bundes bereits zerbrochen. Wirtschaftlich muss man die entgegen allen sonstigen Gepflogenheiten in der Wirtschaft nicht passivierten Pensionsverpflichtungen gegenüber den Beamten der Deutschen Telekom mit rund 9 bis 10 Milliarden Euro Barwert abziehen, so dass bei der Gründung überhaupt kein Aktienkapital der Deutsche Telekom AG vorhanden war.

Bei Mobilcom und Quam, die ebenfalls 8 Milliarden Euro bezahlt haben, wird die UMTS-Lizenz inzwischen mit null bewertet und soll an die Telekommunikationsbehörde ohne Erstattung der Lizenzgebühr zurückgegeben werden. Also sind die Lizenzen als selbstständige Wirtschaftsgüter auch nichts wert, auch für sie sind Sonderabschreibungen fällig. Seit der UMTS-Versteigerung arbeitet keine Mark Bundesgeld mehr in der Deutschen Telekom. Trotzdem hält der Bund immer noch 43 Prozent aller Aktien. Den Großaktionär frage ich in aller Form, was er hier unter uns Kleinaktionären, die allein per Saldo das gesamte Eigenkapital der Telekom gestellt haben, überhaupt noch zu suchen hat.

Die Auszahlung von 8 Milliarden Euro an den Großaktionär hat gegen die Vorschriften des Aktiengesetzes zur Kapitalerhaltung und des Konzernrechts verstoßen. Auch in diesem Punkt ist Vorstand und Aufsichtsrat vorzuwerfen, dass sie die Rechte der Gesellschaft gegen den Großaktionär - dem sie allerdings fast alle ihre Stellung verdanken - nicht geltend gemacht haben. Nehmen Sie endlich, meine Herren von der Verwaltung, zur Kenntnis, dass zwischen den Interessen unserer Gesellschaft und den Interessen des Großaktionärs Bund massive Gegensätze bestehen.

In diesem Zusammenhang richte ich an den Bund die Aufforderung, zunächst das durch die Überbewertung der Sacheinlagen entstandene Problem in Verhandlungen mit dem Vorstand zu lösen. Es ist eine Schande für Deutschland, wenn ein vom Bund privatisiertes Unternehmen wie die Deutsche Telekom gegenüber der ganzen Welt, gegenüber Aktionären, Banken, Kunden und anderen Adressaten mit einer Eigenkapitalziffer ins Leben tritt, die sich hinterher als nicht zutreffend erweist. Was die Bundesregierung hier vorgeführt hat, ist Sozialismus pur.

Selbst Ulbricht und Honecker haben es nicht geschafft, ihr Volk in solch zynischer Weise über den Tisch zu ziehen, wie es die Bundesregierung hier fertiggebracht hat. Unser Geld arbeitet in dem Unternehmen, zu Sagen hat der Staat.

Dessen Bilanz allerdings kann sich sehen lassen: Die gesamte Sacheinlage von 10 Milliarden Euro hat er entweder gar nicht gebracht oder in Bargeld wieder herausgeholt, 15 Milliarden Euro brachte die dritte Tranche, der jetzige Aktienbesitz ist immer noch über 20 Milliarden Euro wert. Ohne Einlage hat er außerdem jahrelang Dividenden in Milliardenhöhe zu Unrecht bezogen.

Der Bundesminister der Finanzen hinterlässt eine Spur wie nach einem Bombenangriff, Millionen von Aktionären liegen, bildlich gesprochen verletzt am Straßenrand. Die mit ungeheurem Propagandagetöse progagierte Volksaktie Telekom hinterließ Not, Unglück und zerbrochene Lebenspläne für solche Staatsbürger, die dem Staat vertraut haben. Es wird höchste Zeit, dass sich der Deutsche Bundestag mit den einer Staatskrise gleichkommenden Telekomsachverhalten befasst. Vorerst allerdings gewinnt eine alte Wahrheit neue Kontur: Wenn ein Verbrechen nur groß genug ist, wird es als solches nicht mehr wahrgenommen, schon gar nicht, wenn es der Staat selbst begeht. Schließlich hat er die Lufthoheit darüber, zu definieren was ein Verbrechen ist.


3. Ich habe des Weiteren beantragt, die bisherigen Wirtschaftsprüfer nicht wiederzubestellen. Anlass hierfür ist die folgende Geschichte: Der Vorstand unter Führung von Ron Sommer erblickte im Jahre 2000 über dem Himmel Amerikas einen leuchtenden Kometen. Er musste ihn um jeden Preis haben und bezahlte dafür teils in bar, teils in jungen Aktien der Deutsche Telekom AG 34 Milliarden Euro.

Diesen Preis haben die von uns Aktionären gewählten Wirtschaftsprüfer noch im März 2002 bei Erteilung des Bestätigungsvermerks für den Konzernabschluss des Jahres 2001 als angemessen bestätigt. Inzwischen hat sich ein Felsbrocken im Gewicht von nicht weniger als 18 Milliarden Euro (35 Mrd. Deutsche Mark) von dem nicht mehr ganz so leuchtend hellen Kometen gelöst und ist just Ende September 2002 auf der Erde eingeschlagen.

Verwaltung und Wirtschaftsprüfer fanden diesen Vorgang normal und nahmen eine Sonderabschreibung auf die VoiceStream Beteiligung vor. In nur sechs Monaten soll die Beteiligung 18 Milliarden Euro an Wert verloren haben. Der Wertansatz der VoiceStream in der Konzernbilanz fiel schneller als ein Apfel im freien Fall von seinem Baum.

Die Verwaltung hat dafür allerdings eine bewundernswerte Sprachregelung gefunden: Statt ihre Sünden der Vergangenheit zu beichten, macht sie aus der Not auch noch eine Tugend: Sie erklärt die Sonderabschreibung von 18 Milliarden Euro stolz als glanzvolles Ergebnis einer "strategischen Überprüfung". Dieser Begriff musste auch schon zur Rechtfertigung der Sonderabschreibungen auf die überbewerteten Grundstücke herhalten.

Die Wortschöpfung ist zweifellos in Ihrer Situation, meine Herren von der Verwaltung, genial, ich bin voll Bewunderung. Schade nur, dass es auch noch Aktionäre gibt, die selber denken und das semantische Spiel durchschauen. Beerdigungen sind gewöhnlich die Folge eines Todesfalles und nicht Ergebnis strategischer Überlegungen. Dann wird doch unvermeidlich, was schon Schiller beschrieben hat: Die Kraniche des Ibykus werden laut trompetend das Theater überfliegen: Die Szene wird zum Tribunal und es gestehen die Bösewichter, getroffen von der Rache Strahl.


Nach Lage der Dinge ist es glasklar, dass in Wirklichkeit nicht in den sechs Monaten ein Wertverlust eingetreten ist, sondern dass der Wertansatz von Anfang an wegen eines ins Gigantische überhöhten Kaufpreises falsch gewesen ist und von den Wirtschaftsprüfern in der Konzernbilanz des Jahres 2001 niemals hätte so bestätigt werden dürfen. Nach meiner Überzeugung war der Bestätigungsvermerk unter der Bilanz für das Jahr 2001 falsch.

Es liegt mehr als nahe, dass die Wirtschaftsprüfer gegen die strafrechtliche Vorschrift des § 332 HGB verstoßen haben. Unser Vertrauen haben sie nicht mehr. Was der Vorstand in seiner Internetstellungnahme zu diesem Thema zu sagen hat, ist hanebüchen: Weil der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk erteilt wurde, soll er auch die Richtigkeit der Bilanzansätze "belegen", mithin auch das Verschwinden von 18 Milliarden Euro innerhalb von sechs Monaten. Des Weiteren ist für den Vorstand die pure weltweite Größe der beiden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auch ein Beweis für die Richtigkeit ihrer Bewertungen, ein Argument, das an Durchschlagskraft kaum zu übertreffen ist: "Weil diese Tiere groß sind, sind sie auch gut?"


Dass meine Analyse zutrifft, beweist zusätzlich der folgende Sachverhalt: Die DTAG hat im Mai 2001 die Firma VoiceStream erworben. Diese hatte gerade einmal 2 Milliarden Euro Umsatz und einen Verlust in gleicher Höhe. Trotzdem zahlte der Vorstand dafür nicht weniger als 34 Milliarden Euro. Davon flossen rund 10 Milliarden Euro in bar, der Rest wurde durch die Ausgabe junger Aktien aus genehmigten Kapital belegt.

Wenn Vorstand und Aufsichtsrat überzeugt gewesen wären, dass dieser Kaufpreis dem wirklichen Wert der Sacheinlage VoiceStream entspricht, hätten sie die vollen 34 Milliarden Euro auch bei der Deutschen Telekom AG aktiviert. Das haben sie aber nicht getan, sondern die Aktivierung mit nur 13 Milliarden Euro auf den in bar bezahlten Teil sowie den Mindestausgabekurs der jungen Aktien von 2,56 € pro Stück beschränkt.

Ein solches Verhalten ist absolut ungewöhnlich. Durch ihre Anwälte hat die Deutsche Telekom zwar bei der Staatsanwaltschaft vortragen lassen, bei Bezahlung durch junge Aktien bestehe ein Aktivierungswahlrecht, der nicht aktivierte Teil stelle halt eine stille Reserve dar. Ganz abgesehen davon, dass diese Auffassung bei Sacheinlagen umstritten ist, verzichtet kein normaler Vorstand darauf, einen Vermögensgegenstand voll zu aktivieren. Er verzichtet nur dann darauf, wenn er von vornherein Zweifel an der Werthaltigkeit des gekauften Objekts hat.


Aus diesem Grunde kann die Abschreibung von 18 Milliarden Euro auch nur in der Konzernbilanz stattfinden. In die Konzernbilanz war 2001 der Wert von rund 34 Milliarden Euro für VoiceStream wie folgt gelangt: Die Firma VoiceStream hat nach US-Recht infolge des an ihre Aktionäre von der Deutsche Telekom bezahlten weit überhöhten Kaufpreises ihre Aktiva einfach um 20 Milliarden Dollar in Form von zusätzlichem Goodwill aufgewertet.

Nach deutschem Recht wäre ein solcher Vorgang unvorstellbar. Dieser Wert wurde dann im Wege der Konsolidierung in die Bilanz der Deutschen Telekom übernommen. Deren Eigenkapital schoss wie ein Pilz nach warmen Regen um 20 Milliarden Euro in die Höhe. Diese Buchung ist jetzt durch die Abschreibung von 18 Milliarden Euro korrigiert worden. 2001: Rein in die Kartoffeln, 2002: Raus aus den Kartoffeln: Neudeutsch nennt man das "Management by potatoes": Das verstehen Sie sicher gut, mit Ihren Kunden reden Sie ja ohnehin allenfalls noch gebrochen deutsch.

Für mich steht allerdings fest, dass damit der "freie Fall" noch lange nicht beendet ist, VoiceStream und ihre Lizenzen stehen immer noch in der Konzernbilanz mit 16 Milliarden Euro zu Buch, obwohl sie weiterhin hohe Verluste macht. Der Umsatz von T-Mobile USA für 2002 liegt bei rund 5 Milliarden Dollar. T-Mobile ist also in der Konzernbilanz immer noch mit fast dem dreifachen ihres - auch noch sehr verlustreichen - Umsatzes bewertet.

Der Börsenwert unseres Unternehmens Deutsche Telekom AG erreicht aber nicht einmal einen Jahresumsatz. Das zeigt, welcher Wertberichtigungsbedarf hier noch besteht. Außerdem muss die Telekom laufend weitere Darlehen in die USA nachschießen, die verzinst werden müssen. Gegenwärtig betragen die Forderungen dieser Art bereits 7 Milliarden Dollar. Auf sich gestellt wäre VoiceStream auch heute handlungsunfähig und damit wertlos.

Es ist aber immerhin dankenswert, dass Sie die Aktionäre auf Seite 55 des Geschäftsberichts auf weitere Sonderabschreibungen auch im Jahre 2003 schon vorbereiten. Es heißt dort:

"Im Rahmen zukünftiger Wertüberprüfungen kann die Deutsche Telekom weitere Abwertungen für erforderlich halten."

Da jede dieser Sonderabschreibungen weiter gegen das Eigenkapital läuft, wird die Dramatik der Situation deutlich. Im Jahre 2002 haben Sie im Übrigen nicht nur einen Fehlbetrag von 24,6 Milliarden Euro, sondern einen solchen von rund 30 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das Eigenkapital im Konzern fiel nämlich von 66,3 um 31 Milliarden Euro (also 46 %) auf gerade noch 35,4 Milliarden Euro.

Die Hauptdifferenz stellen Sie als "Ausgleichsposten aus der Fremdwährungsumrechnung" dar, immerhin mit 5 Milliarden Euro, ein gewaltiger Betrag. Für einen simplen Kleinaktionär wie mich ergibt sich der Verlust eines Unternehmens aus dem Vergleich seiner Eigenkapitalziffern zwischen den Bewertungszeitpunkten, wenn keine Kapitalbeschaffungsmaßnahmen stattgefunden haben.

Dem Restkapital von gerade noch 35,4 Milliarden Euro stehen in der Konzernbilanz immer noch immaterielle Vermögenswerte von sage und schreiben 53,4 Milliarden Euro gegenüber, also das 1 ½-fache des Eigenkapitals. Ein solch katastrophales Verhältnis gibt es bei keinem anderen Unternehmen. Hier müssen sämtliche Alarmglocken läuten.

Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass der Barwert von rund 9 Milliarden Euro gesetzlicher Zahlungsverpflichtungen an die Unterstützungskasse nicht passiviert ist. Wirtschaftlich haben wir im Konzern nur noch ein Eigenkapital von rund 27 Milliarden Euro. Das ist die Wahrheit.

Die immateriellen Vermögenswerte müssen in jedem Falle nach § 255 HGB verlustbringend abgeschrieben werden. Die einzige Frage ist nur, ob die Abschreibungen einigermaßen schonend über viele Jahre geschehen können oder um der Bilanzwahrheit Willen schnelle Sonderabschreibungen nötig sind. Irgendeinen Beitrag zum Unternehmensergebnis leistet diese Position - anders als ebenfalls abschreibungsbedürftige Maschinen - nicht.

Es handelt sich nur um aktivierte Zukunftshoffnungen, die künftigen Verlustposten gleichstehen und die Zukunft des Unternehmens in einer Weise belasten, die tödlich sein kann. Der Begriff "immaterielle Vermögenswerte" ist absolut irreführend: Er beschreibt in Wirklichkeit schon feststehende aufgeschobene Verluste. Wenn diese Abschreibungen nach den Regeln ordnungsgemäßer Buchführung als Sonderabschreibung laufen müssen, ist das Eigenkapital weg, das Unternehmen am Rande des Zusammenbruchs, ein Ritt auf dem Tiger.

Ich habe Herrn Dr. Winkhaus im vergangenen Jahr hier gefragt, ob unser Unternehmen im Konzern überhaupt noch ein Eigenkapital hat. Heute ist fast die Hälfte davon schon weg. Auch die an sich anzuerkennenden positiven Quartalszahlen per 31.03. werden daran nichts ändern, sie sind noch lange nicht nachhaltig (sehr niedrige Investitionen, außerordentliche Erträge).

Ich sehe kommen, dass der Großaktionär, der für das Desaster der Deutsche Telekom der Hauptverantwortliche ist, schon in Kürze auch für die Folgen einstehen muss. Dies hat dadurch zu geschehen, dass der Bundesminister der Finanzen sein Raubgut - anders kann ich es nicht mehr nennen - auf Heller und Pfennig an die Gesellschaft zurück gibt. Dafür gibt es verschiedene Modelle. Er sollte im Bundeshaushalt dafür schon einmal Vorsorge treffen.

Die Art der bilanziellen Behandlung der US-Erwerbung durch den Vorstand beweist, dass er und der Aufsichtsrat das hohe Risiko einer zu hohen Bewertung genau gekannt haben, ebenso die Wirtschaftsprüfer. Hätte die Verwaltung VoiceStream in bar bezahlen müssen, hätte sie das Geschäft niemals abgeschlossen, so viel Kredit hätten die Banken auch gar nicht mehr gegeben. Bei Barzahlung wäre es auch nicht möglich gewesen, fast 2/3 des Wertes des Beteiligungsobjekt nicht zu aktivieren, weil dann sofort ein entsprechender Verlust in der Bilanz entstanden wäre.

Diese Sache lief nur, weil man durch Ausgabe junger Aktien bezahlt und damit unmittelbar über die Spargelder der Aktionäre einschließlich der eigenen Mitarbeiter verfügt hat. Vorstand, Aufsichtsrat und Großaktionär haben durch gemeinschaftliches Zusammenwirken das Risiko dieses Geschäfts an der Gesellschaft vorbei unmittelbar den Aktionären aufgeladen und dadurch in deren Taschen gegriffen. Durch diese Aktion ist allerdings der Großaktionär "Bund" selbst massiv geschädigt worden, was die enorme Sachkompetenz des hier auftretenden Bundesfinanzministeriums und seiner Beamten ins rechte Licht rückt.


Wir wollen auch wissen, warum den amerikanischen Freunden, die hier niemand kennt, ein Betrag in dreifacher Höhe des Grundkapitals dieser Gesellschaft zugeschoben worden ist, wer daran verdient hat und ob hier nur unternehmerische Inkompetenz oder schlimmeres vorliegt. Aus diesem Grunde habe ich gegen den gesamten Vorstand in seiner damaligen Zusammensetzung Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Bonn erstattet, das Ermittlungsverfahren läuft. Die Verwaltung erklärt ebenso treuherzig wie eiskalt, die Abschreibung tue dem Unternehmen ja nicht weh, außerdem sei sie auch nicht kassenwirksam.

Letzteres ist insofern irreführend, als bei nichtverdienten Abschreibungen natürlich die aufgenommenen Kredite nicht zurückgezahlt werden können und weiter verzinst werden müssen. Darin liegt im Übrigen genau der Vorwurf, der zu erheben ist: Dieser Effekt konnte nur durch massive und grundsätzlich als Untreue strafbare Kapitalverwässerung zu Lasten der Aktionäre erreicht werden. Der Vorstand meint dazu, der Wertverlust von schon eingestandenen 18 Milliarden Euro sei 16 Monate vorher, am 31.05.2001, dem closing date des VoiceStream-Deals, nicht voraussehbar gewesen.


Meine Damen und Herren, welche unternehmerische Qualität hat wohl ein Vorstand, dem 18 Milliarden Euro in den Brunnen gefallen sind und der hinterher mitteilt, er habe nicht gewusst, dass ein Brunnen ein Loch ist. Schon am 20.08.2001, also nur ganz kurze Zeit nach dem VoiceStream-Kauf, beschrieb Jürgen Dunsch in der FAZ mit dem Titel "Monopoly in höheren Sphären" den hier praktizierten Irrsinn und die auf hohe Firmenwerte zu erwartenden Abschreibungen. Für die Öffentlichkeit war schon damals klar, was für den Vorstand merkwürdigerweise nicht klar war: Dass hier ein viel zu hoher Preis bezahlt worden war, ein gewaltiger Kurssturz war zwingende und voraussehbare Folge.

Ich frage mich auch, wo hier eigentlich die Mitbestimmung geblieben ist. Auch die Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat haben offenbar zugestimmt, Beträge in den USA zu vergraben, die weit über der Grundkapitalziffer der Deutschen Telekom lagen. Infolge dessen stehen in Deutschland nicht mehr genügend Investitionsmittel zur Verfügung, massiver Stellenabbau bei der Deutschen Telekom ist die Folge.

Ich will hier auch einmal für die Mitarbeiter dieses Unternehmens sprechen, die ja als Belegschaftsaktionäre ihr Geld und als Mitarbeiter ihre Stelle verloren haben oder verlieren. Es ist wirklich großartig, wie hier sogenannte Arbeitnehmervertreter die Interessen ihrer Klientel vertreten haben. Auch hier heißt der Wortführer Sommer, nomen est omen. Hier, Herr DGB-Vorsitzender, hätten sie einmal Sachkompetenz beweisen können, haben aber kläglich versagt. Sie sollten lieber Buße tun. Mir wäre lieber gewesen, die Gesellschaft hätte nicht einmal einen Sommer getanzt. Jetzt wissen wir endgültig, warum Winterurlaub gesünder ist.


4. Noch nie sind Bürger unseres Landes - noch dazu von einer frei gewählten Regierung - in "ehrenwerter Gesellschaft" mit Vorständen und Aufsichtsräten in einer solchen Weise über den Tisch gezogen worden, wie es hier geschehen ist. Fassungslos stellen sich Millionen von Deutschen die Frage, ob die hier handelnden Personen straffällig oder inkompetent sind, beides ist gleich schlimm. Der Lateiner sagt: tertium non datur, ein Drittes gibt es nicht. Auch die frühere Bundesregierung ist für dieses Geschehen wesentlich mitverantwortlich.

Ich appelliere ganz besonders an die neuen in die bisher fest geschlossenen Reihen der Verwaltung eintretenden Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, hier Ordnung zu schaffen. Unsere Hoffnung ruht vor allem auf Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. Zumwinkel als neuem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, da Sie von der Vergangenheit nicht belastet sind.

Das Unternehmen ist noch lange nicht aufgeräumt, die Konzernbilanz besteht immer noch zu einem sehr großen Teil aus reiner Luft. Wer diese Zustände angerichtet hat, ist schon rein psychologisch nicht geeignet, Remedur zu schaffen, weil er dann jedes Mal seine eigenen früheren Handlungen korrigieren müsste. Rettung kann nur von innerlich freien und nur der Sache verantwortlichen neuen Verwaltungsmitgliedern kommen.


In engagiere mich in dieser Sache aber auch, um für unser gutes deutsches Aktienrecht eine Lanze zu brechen: Es darf nicht so weitergehen, dass Vorstände riskante Erwerbungen, statt sie über das Unternehmen abzuwickeln, einfach durch Ausgabe junger Aktien unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre bezahlen, wenn die Werthaltigkeit der Gegenleistung nicht über jeden Zweifel erhaben ist.

Meine Damen und Herren, mit meinem schon vor längerer Zeit verstorbenen hoch geschätzten Anwaltskollegen Marcus Tullius Cicero möchte ich dieser Republik in Abwandlung der von ihm gehaltenen vierten Rede gegen Catilina zurufen: Quo usque tandem ab utere, res publica, patientia nostra? Wie lange noch, Regierung dieser Republik, willst du unser Vertrauen missbrauchen? Wir sind das Volk, dem dieses Unternehmen gehört. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis, bevor Montagsdemonstrationen einsetzen, nochmals nach Schiller: Und stürmend drängt sich zum Prytanen das Volk, es fordert seine Wut.

Leider musste das alles einmal gesagt werden, solange in diesem Lande wenigstens noch die freie Rede des ansonsten machtlosen Staatsbürgers möglich ist.

Die Rede wurde auch 2003 im Manager-Magazin abgedruckt.

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